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Kleine, weit verstreute Populationen stellen normalerweise eine Gefahr für die genetische Gesundheit einer Tierart dar. Berggorillas jedoch scheinen sich an die Folgen der Inzucht angepasst zu haben.

Foto: REUTERS/Gorilla Doctors/UC Davis

Hinxton - Eine der größten Gefahren für kleine isolierte Tierpopulationen ist die sogenannte Inzuchtdepression. Sind die genetischen Unterschiede der Individuen in einem abgegrenzten Verbreitungsgebiet zu gering, kann es zu Erbkrankheiten kommen, was die Population zusätzlich gefährdet. Bedroht sind davon vor allem jene Arten, die nur mehr in kleinen, weit verstreuten Gruppen leben.

Dazu zählt auch der Berggorilla. Überraschenderweise scheint die vom Aussterben bedrohte Menschenaffenart eine Möglichkeit gefunden zu haben, den Folgen des genetischen Flaschenhalses zu trotzen. Forscher haben bei den zentralafrikanischen Berggorillas festgestellt, dass bestimmte nachteilige Genvarianten infolge von Inzucht aus ihrem Erbgut verschwunden sind.

Die Wissenschafter hatten das Erbgut der Berggorillas umfassend analysiert und mit dem der anderen Gorilla-Unterarten verglichen. Die Untersuchung zeigte auch, dass die Populationen von Berggorillas und Östlichen Flachlandgorillas bereits seit 100.000 Jahren schrumpfen. Die Forscher hoffen, dass ihre Untersuchung zum Schutz der Tiere beiträgt.

Zwei Arten von Gorillas leben in den Wäldern Zentralafrikas: Der Westliche Gorilla teilt sich in die beiden Unterarten Westlicher Flachlandgorilla und Cross-River-Gorilla auf, der Östliche Gorilla in den Östlichen Flachlandgorilla und den Berggorilla. Letzterer ist vom Aussterben bedroht. Nur noch um die 800 Exemplare leben Schätzungen zufolge in der Bergregion der Virunga-Vulkane im Grenzgebiet der Demokratischen Republik Kongo, Ruandas und Ugandas sowie in einem Nationalpark in Uganda. Ihr Erbgut ist bisher nur in Teilen untersucht worden.

13 Gorillagenome unter der Lupe

Die Forscher um Yali Xue vom Wellcome Trust Sanger Institute in Hinxton (Großbritannien) sequenzierten nun das komplette Genom von insgesamt 13 Östlichen Gorillas - sieben Berggorillas und sechs Östlichen Flachlandgorillas. Anschließend verglichen sie das Genom aller Unterarten miteinander. Das im Fachblatt "Science" veröffentlichte Ergebnis: Das Erbgut der beiden östlichen Unterarten weist eine zwei- bis dreimal geringere genetische Vielfalt auf als das der westlichen Unterarten.

Grundsätzlich macht eine geringe genetische Variabilität Lebewesen anfälliger für Krankheiten oder schädliche Umwelteinflüsse, schreiben die Forscher. Allerdings habe die Inzucht und die daraus resultierende schwindende genetische Vielfalt vor allem bei den Berggorillas scheinbar auch einen positiven Nebeneffekt: Die Zahl von Mutationen, die zu einem oft schwerwiegenden Funktionsverlust eines Gens führt, ist bei ihnen deutlich geringer als bei den Westlichen Gorillas. Andere, weniger schwerwiegende genetische Veränderungen fanden die Wissenschafter bei den östlichen Gorillas häufiger als bei den westlichen.

Anpassung an kleine Populationen

Sie stellten weiter fest, dass die Östlichen Gorillas vermutlich schon viel länger als bisher angenommen in relativ kleinen Populationen leben, seit etwa 100.000 Jahren. "Wir waren besorgt, dass der dramatische Populationsrückgang in den 1980er-Jahren auf lange Sicht katastrophal für die Berggorillas wäre, aber unsere genetischen Analysen lassen vermuten, dass Gorillas schon für Tausende Jahre als kleine Populationen zurechtkommen", erläutert Erstautorin Yali Xue. "Während ein vergleichbares Ausmaß an Inzucht zum Aussterben unserer Verwandten, der Neandertaler, beitrug, scheinen Berggorillas widerstandsfähiger zu sein."

Die Forscher hoffen, dass ihre detaillierte Genomanalyse auch zum Schutz der bedrohten Tiere beiträgt. Es sei jetzt möglich, den Ursprung illegal gefangener oder getöteter Tiere zu identifizieren. So könnten mehr Tiere wieder in ihre Heimat gebracht werden. Wilderer, die Gorillas wegen ihres Fleisches oder als Souvenir jagen, könnten zudem leichter angeklagt werden.

Nach Angaben der Umweltstiftung WWF gefährden neben der Wilderei vor allem die Zerstörung des Lebensraumes durch zum Beispiel Abholzung, Straßenbau oder Bergbau die Gorillas. Ohne Schutzmaßnahmen werden 90 Prozent des noch vorhandenen Lebensraumes bis zum Jahr 2030 zerstört sein, schreibt die Naturschutzorganisation. Auch Krankheiten wie Masern oder Ebola bedrohten die größten aller Menschenaffen. Alle Unterarten sind auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten als gefährdet oder vom Aussterben bedroht eingestuft. (APA/red, derStandard.at, 13.4.2015)