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Eine Raffinerie: Sprit kostete in den USA schon immer weniger als in Europa, Folge auch der geringeren Besteuerung. So billig wie jetzt war Treibstoff aber schon lange nicht mehr.

Reuters

Wien - Noch vor wenigen Jahren wären die Preise für Rohöl bei vergleichbar explosiver Lage, wie sie sich nun in einigen Ölförderländern darstellt, durch die Decke gegangen. Ob Massendemos in Venezuela, dem wichtigsten Ölförderland Südamerikas, Terroraktionen von Boko Haram in Nigeria, auch ein Opec-Land, kriegsähnliche Zustände in Libyen oder, ganz aktuell, Jemen: Ja - die Ölpreise ziehen an, aber vergleichsweise wenig und nur ganz kurz.

Anders als früher gibt es Öl im Überfluss. Das hat nicht nur mit den Folgen der Finanzkrise zu tun, die noch immer tiefe Schatten über die produzierende Wirtschaft wirft und dafür sorgt, dass die Konjunktur in vielen Ländern nicht in Schwung kommt. Einer der Gründe heißt Fracking.

In Europa umstritten und teils mit Bann belegt, hat diese Fördermethode in den USA zu einer Öl- und Gasbonanza geführt. Beim Fractional Drilling wird ein Gemisch aus Chemikalien, Wasser und Sand unter hohem Druck in das Bohrloch gepresst. Aus den entstehenden feinen Rissen in dem ansonsten kompakten Schiefergestein entweichen sodann die Kohlenwasserstoffmoleküle.

Wichtiger Player

Die USA, die vor einigen Jahren sowohl bei Öl als auch bei Gas noch stark abhängig von Importen waren, sind solcherart wieder zu einem wichtigen Player auf den Energiemärkten geworden.

Anders als früher gibt es zurzeit genug Reservekapazitäten, mit denen Ausfälle von einigen hunderttausend Fass (je 159 Liter) am Tag kurzfristig kompensiert werden können. Hinzu kommt, dass internationale Ölhändler schon vor Monaten begonnen haben, das zu Niedrigstpreisen erhältliche Rohöl einzulagern. Sogar einige der weltweit größten Supertanker wurden zu diesem Zweck angemietet. Es ist ein profitables Geschäft, und dazu noch eines ohne Risiko.

Der Grund dafür heißt Contango. Damit bezeichnet man eine Situation an den Warenterminmärkten, wie sie seit einiger Zeit für Erdöl besteht. So liegt der Preis für Öl, das in einem Jahr zu liefern ist, um einiges über dem vergleichsweise niedrigen Preis von heute. Klar, dass es sich lohnt, Öl zu Preisen um die 55 Dollar pro Fass einzukaufen, wenn man es als Terminkontrakt für mehr als 60 Euro verkaufen kann.

Stärkster Zuwachs

Die Lager zu Lande sind ebenfalls randvoll. Erst diese Woche hat die Energy Information Administration in Washington von einem neuen Rekordhoch der Lagerbestände in der weltgrößten Volkswirtschaft berichtet. Der Anstieg der US-Reserven war mit 10,9 Millionen Fass sogar der stärkste seit 14 Jahren und ist mehr als doppelt so kräftig ausgefallen, wie im Vorfeld erwartet worden war.

Dann wäre da noch der Iran. Nach dem Durchbruch bei den Atomgesprächen vorige Woche in Lausanne und der für Juni angestrebten Unterzeichnung des noch zu formulierenden Vertrags dürften die Tage der Sanktionen gezählt sein. Das Opec-Gründungsmitglied ist bestrebt, möglichst rasch auf die internationalen Ölmärkte zurückzukehren. Mithilfe westlicher Technologie sollte dies in vergleichsweise kurzer Zeit gelingen. Die Aussicht auf hunderttausende zusätzliche Barrel Öl am Tag dürfte den Preisverfall dann noch weiter beschleunigen. (Günther Strobl, DER STANDARD, 10.4.2015)