Bild nicht mehr verfügbar.

So wie auf diesem Bild von 2014 wird es wohl nicht mehr sein: Zwischen Marine und Jean-Marie Le Pen kam es zum Bruch.

Foto: AP / Laurent Cipriani

Nach dem familiären folgt jetzt der politische Krach. Er hatte sich abgezeichnet: Voriges Jahr hatte die 46-jährige Chefin des rechtsextremen Front National (FN) den "politischen Fehler" ihres Vaters gerügt, als dieser einem jüdischen Schauspieler eine "Ofenladung" in Aussicht stellte.

Doch jetzt legt der 86-jährige Patriarch noch einen drauf - als könnte er den jüngsten Erfolg seiner Tochter bei den Departementswahlen nicht ertragen. Mit vollster Absicht erneuerte er seinen - rechtlich geahndeten - Spruch, die NS-Gaskammern des Zweiten Weltkrieges seien nur ein historisches "Detail". In einem Interview mit seinem offen antisemitischen Hausblatt Rivarol verteidigte er zudem Marschall Pétain, der mit den Nazis kollaboriert hatte, und attackierte vehement "diesen Immigranten" Manuel Valls, der als Premierminister katalanische Wurzeln hat.

Getroffen sah sich Marine Le Pen, die sich im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2017 ein politisch korrektes Image zu geben versucht. Die FN-Chefin konnte diesen neuesten Ausfall ihres Vaters nicht hinnehmen. "Ich habe Jean-Marie Le Pen informiert, dass ich mich bei der Sitzung unseres Politbüros am 17. April gegen seine Regionalwahl-Kandidatur als Listenführer in der Provence und an der Côte d'Azur stellen werde", teilte sie mit. Ihr Vater betreibe eine "Politik der verbrannten Erde" und des "politischen Selbstmords", weshalb sie mit "großer Traurigkeit" zu diesem Schritt gezwungen sei.

"Totaler, definitiver Bruch"

Parteivize Florian Philippot verkündete über Twitter einen "totalen und definitiven politischen Bruch". Damit scheint auch die faktische Rollenverteilung zwischen dem provokativen Vater und der salonfähigen Tochter hinfällig. Was das für das Wählerpotenzial bedeutet, muss sich weisen. Ihre parteiinterne Stellung wird aber auf jeden Fall geschwächt.

Auch Pariser Medien sprechen bereits von einer "Spaltung" der Partei. Während das Politbüro mehrheitlich hinter Marine Le Pen stehen dürfte, bleibt die breite Wählerbasis vor allem in Südfrankreich - wo viele Algerien-Nostalgiker wohnen - in erster Linie dem Parteigründer ergeben. Für sie verteidigte Bruno Gollnisch "die Meinungsäußerungsfreiheit von Jean-Marie Le Pen, dem wir die ganze Existenz des Front National verdanken".

Enkelin kann Lücke füllen

Bei dem Machtkampf wird eine wichtige Rolle Marion Maréchal-Le Pen (24) zufallen. Die Abgeordnete verkörpert die dritte Generation und ist ihrem Großvater affektiv verbunden, neigt aber politisch ihrer Tante Marine zu. Bei den Regionalwahlen könnte sie die Lücke füllen, falls Jean-Marie wirklich ausgebootet werden sollte. Der langjährige FN-Boss meldete sich am Mittwoch selbst zu Wort und erklärte maliziös: "Frau Le Pen muss sich die Frage stellen, ob es nützlich ist, was sie tut."

Mit einer effektiven Parteispaltung ist fürs Erste nicht zu rechnen: Le Pen senior denkt nicht an einen Austritt aus der Formation, die er 1972 gegründet hatte. Und ein Rauswurf des Ehrenpräsidenten ist durch die Statuten nicht vorgesehen. Hausintern wird der Vater aber alles unternehmen, um einen Erfolg der Tochter bei den Präsidentschaftswahlen zu hintertreiben. Wie er in dem hämischen Rivarol-Interview selber sagte: "Man wird nur durch die eigenen Leute verraten." Marine Le Pen ist gewarnt: Der Vater wird alles daran setzen, dass seiner Tochter nicht vergönnt sein wird, was er sich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorstellen konnte - der Einzug in den Élysée-Palast. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 9.4.2015)