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Wenn Menschen auf dem Mars landen, müssten sie mehr als ein Jahr dort bleiben, bis die Distanz zur Erde wieder klein genug ist. Vorräte für so lange Zeit sind schwer zu transportieren, die Menschen müssten also Ackerbau betreiben. Im Bild zu sehen ist eine künstlerische Darstellung einer Marsmission.

Illu: picturedesk.com / Science Photo Library

Wien - Was Pflanzen leisten, klingt nach mittelalterlicher Alchemie: Sonnenlicht, Wasser und Kohlendioxid werden in süße Glukose verwandelt - ganz nebenbei entsteht dabei Sauerstoff. Die Photosynthese ist ein biochemisches Meisterstück, ohne das höheres Leben auf der Erde wohl nie entstanden wäre. Sie hat das giftige Gasgemisch der Urzeit in eine lebensfreundliche Atmosphäre verwandelt und die Nahrungsgrundlage für die allermeisten Tiere geschaffen - auch der Mensch könnte ohne sie nicht überleben. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn er die Erde verlässt: Eine langjährige Raumfahrt, wie sie für eine Marsmission nötig wäre, könnte ohne Pflanzen und andere photosynthetisch aktive Organismen nicht durchgeführt werden.

Doch die Bedingungen auf dem Roten Planeten sind harsch: Die Durchschnittstemperatur beträgt minus 60 Grad Celsius, nachts kann es weitaus kälter werden. Heftige Sandstürme fegen über die Oberfläche, die Atmosphäre ist hundertmal dünner als auf der Erde und besteht zum Großteil aus Kohlendioxid. Nicht nur für den Menschen sind das unwirtliche Bedingungen, auch die meisten anderen Lebewesen wären damit überfordert. In den extremsten Lebensräumen der Erde gedeihen jedoch Organismen, die auch auf dem Mars überleben würden, ist sich der Astrobiologe Jean-Pierre de Vera vom deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sicher. Seine Favoriten sind Flechten, Mischwesen aus Pilz und Alge, und mikroskopisch kleine Cyanobakterien - beides Lebensformen, die Photosynthese betreiben. Die Überlebenskünstler findet man in trockenen Wüsten, arktischem Eis oder heißen Quellen - es gibt kaum einen Ort auf der Erde, den sie nicht besiedeln können.

Marsatmosphäre im Labor

Ob das auch für den Mars gilt, versucht der Forscher im Labor zu beantworten: Seine Arbeitsgruppe hat eine Kammer entwickelt, in der die Planetenoberfläche möglichst realistisch simuliert wird. "Im Prinzip handelt es sich dabei um einen Stahlzylinder, der sich in einem riesigen Kühlschrank befindet", beschreibt de Vera den Versuchsaufbau. "Wir können ihn bis auf minus 70 Grad herunterkühlen. Die Gase der Marsatmosphäre werden zugeleitet und die dort herrschende Strahlung über eine spezielle Lampe erzeugt."

Selbst den Marsboden haben die Wissenschafter in der Kammer nachgestellt, um eventuelle Reaktionen der Mineralien mit der Atmosphäre zu berücksichtigen. Verschiedenste Mikroorganismen wurden hier auf ihre Überlebensfähigkeit unter Marsbedingungen getestet - Flechten und Cyanobakterien haben den Test bestanden.

"Direkt auf der Marsoberfläche würden sie zwar aufgrund der UV-Strahlung der Sonne in ihren Lebensfunktionen eingeschränkt werden", sagt de Vera. "Doch in geschützteren Nischen wie etwa Felsspalten sind sie in der Lage, Photosynthese zu betreiben."

Leben auf dem Mars theoretisch möglich

Eine zentrale Frage ist damit beantwortet: Leben auf dem Mars ist theoretisch möglich. Es geht den Wissenschaftern aber nicht darum, den Planeten mit den Organismen zu besiedeln. "Auf der Erde hat dies Milliarden Jahre gedauert, auf dem Mars würde das mindestens so lange brauchen", sagt de Vera. Um bereits vorhandenes Leben - falls es existiert - zu finden, sei es aber wichtig zu wissen, wonach man sucht.

Die Mikroorganismen, mit denen am DLR geforscht wird, könnten auch als Teil der Lebenserhaltungssysteme von bemannten Marsmissionen zum Einsatz kommen. Denn Cyanobakterien produzieren nicht nur Sauerstoff, sie können auch Stickstoff chemisch fixieren - eine wichtige Eigenschaft, um Dünger für Nutzpflanzen zu gewinnen. Die müssten bei einer Marsmission ebenfalls mitgeführt werden: Nach ihrer Ankunft wären die Menschen dazu gezwungen, etwa eineinhalb Jahre dort zu verbringen, bevor die Distanz zur Erde wieder klein genug ist, um die Heimreise anzutreten. Über einen so langen Zeitraum von mitgebrachten Vorräten zu zehren würde das Transportgewicht vervielfachen.

Beheizbare Gewächshäuer

"Das Wichtigste dafür ist flüssiges Wasser", sagt Michael Dixon von der University of Guelph im kanadischen Ontario. Auf dem kalten Planeten keine Selbstverständlichkeit: Zwar gibt es hier reichlich Wasser in Form von Eis. Um es für die Pflanzenzucht zu nutzen, brauchte man aber beheizbare Gewächshäuser. Zudem müsste man darin den Druck auf das Zehnfache der Marsatmosphäre anheben - der Minimaldruck für Pflanzen, um Fotosynthese betreiben zu können, wie Dixon mit seiner Gruppe ermittelt hat. Das könnte zu Schwierigkeiten bei der Lichtversorgung führen, sagt Chris McKay, Astrogeophysiker von der US-amerikanischen Weltraumbehörde Nasa. Denn die Gewächshäuser müssten einerseits transparent genug sein, um ausreichend Sonnenstrahlen für die Fotosynthese durchzulassen. Andererseits brauchten sie eine gewisse Dicke, um dem Druckunterschied standzuhalten und die Pflanzen vor der Strahlung zu schützen. Besonders die UV-Strahlen könnten zum Problem werden, da sie das Erbgut der Pflanzen schädigen.

"Die Alternative wäre Kunstlicht, nur müsste man dafür wieder ausreichend Energie zur Verfügung stellen können", sagt McKay. Ein weiteres Problem könnte die verminderte Marsschwerkraft sein - ihr Effekt auf das Wurzelwachstum ist noch nicht ausreichend erforscht. Hierzu laufen bereits einige Experimente auf der Raumstation ISS. Die Wissenschafter sind sich einig, dass die technischen Hürden für den Ackerbau am Mars in naher Zukunft überwunden sein werden.

Erntepläne für mehr als vierzig Pflanzenarten

Eine bunte Vielfalt an Gewächsen soll auf der ersten bemannten Marsmission angebaut werden: Von Tomaten über Sojabohnen bis hin zu Reis und Weizen hat man bereits Erntepläne für mehr als vierzig Pflanzenarten erarbeitet. Das erste Minigewächshaus könnte bereits in fünf Jahren auf den Mars geschickt werden, hofft McKay. Bis dort tatsächlich die ersten Menschen landen, brauchte es jedoch noch einige Jahrzehnte.

Die Technologien, die dafür entwickelt werden, dienten nicht nur der Raumfahrt, ist sich Dixon sicher. Denn auf dem Mars sei die Wiederverwertung sämtlicher Rohstoffe das oberste Gebot. Die Lösungen, die man dabei findet, seien angesichts immer knapperer Ressourcen auch für die Landwirtschaft auf der Erde wichtig. (Wolfgang Däuble, DER STANDARD, 8.4.2015)