Es ist natürlich völlig ungerecht: eine Metropole von 7,2 Millionen auf ein Erlebnis von zwei Tagen zu reduzieren. Das ist so, als würde man die Weihnachtszeit auf drei Stunden verkürzen. Doch viele Reisende kennen Hongkong respektive den rapide größer werdenden Flughafen nur als Umsteigeort - sei es nach Australien oder in den chinesischen Raum.

Eine Verschnaufpause am Pearl River Delta lohnt sich, um sich zwischen Nachtmärkten und Wolkenkratzern vom Jetlag zu erholen. Rund 70 Prozent des Territoriums sind Wälder und Felsen, deshalb ist es sinnvoll, den Aufenthalt in einen grauen Tag (Beton) und einen grünen Tag (Natur) einzuteilen.

Der graue Tag

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In Hongkong beginnt jeder Besuch auf dem Statue Square, dem alten Zentrum der britischen Kolonie.

10.00 Uhr

In Hongkong beginnt jeder Besuch dort, wo die britische Kolonialmacht einst ihr Zentrum hatte - auf dem Statue Square. Der Platz wurde Ende des 19. Jahrhunderts auf neu gewonnenem Land errichtet, was angesichts der Lage rund 500 Meter vom Ufer entfernt keinem mehr auffällt. Das alte Gerichtsgebäude erinnert an die Kolonialzeit der Briten von 1841 bis 1997. Bei seiner Errichtung 1910 war das Gebäude repräsentativ, heute ist es winzig. Hochhäuser wachsen rundherum in die Höhe, und zwischen den Shoppingmalls ist es schwer, den kolonialen Charme auszumachen.

Gleich gegenüber steht das Gebäude der Bank HSBC, entworfen von Norman Foster. Bei seiner Eröffnung 1985 war es mit knapp 614 Millionen Euro das teuerste Bauwerk der Welt. Vor dem Eingang thronen zwei große Bronzelöwen. Wer genau hinsieht, erkennt Einschusslöcher. Die stammen von japanischen Soldaten, die die Löwen während der Besatzung im Zweiten Weltkrieg als Zielscheiben missbrauchten.

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Rot und trotzdem nicht immer leicht zu finden in Hongkong: die zweigeschossige Tram.

12.00 Uhr

Vor lauter Hinweisschildern für Einkaufsmeilen fallen die kleinen Haltestellen der zweigeschoßigen Tram gar nicht auf. Einfach reinsetzen, ein paar Stationen in den Westteil von Hong Kong Island zuckeln und mit den Rolltreppen den Hügel hinauffahren. Die Treppe am besten an der Hollywood Road wieder verlassen, in die Antiquitätengeschäfte hineinschauen, einige der neuen Kunstgalerien besuchen und schließlich den 1847 erbauten Man-Mo-Tempel bestaunen. Eine Gasse abwärts wird auf dem Cat Street Market um Möchtegernraritäten gefeilscht, von Mao-Büsten über Drachenstatuen bis hin zu filigranen Puderdosen.

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Der hügelige Westteil von Hong Kong Island ist durch zahlreiche Rolltreppen erschlossen.

14.00 Uhr

Ein Stück zurück in Richtung der Rolltreppen befindet sich das ehemalige Quartier der verheirateten Polizisten, kurz: PMQ. Vor kurzem wurde das Gebäude aufwendig saniert und in eine Art Concept-Mall umgebaut: kleine Pop-up-Shops mit Designerware aus Hongkong, Skandinavien und Singapur neben Cafés und Ausstellungsflächen. Weiter den Hügel hinauf eine Pause einlegen bei Common Ground (19 Shing Wong Street). In dem kleinen Bistro gibt es anständigen Espresso (nicht selbstverständlich in Hongkong) und Snacks wie Portobello Mushrooms oder Salate.

16.00 Uhr

Den Hügel wieder runter, durch die vielen kleinen Gassen mit Minigeschäften und Neon-Logos. Da führt kein Weg daran vorbei. Unten angekommen, mit einem Taxi oder der alten Straßenbahn in Richtung Wan Chai in den Osten fahren, das dauert höchstens eine Viertelstunde. In den Verbindungsstraßen von Johnston und Queens East Road steht ein Stand neben dem anderen: Krimskrams, Gemüse, Fleisch, Fisch, dicht an dicht, zwangsläufig auf Tuchfühlung mit dem Passanten.

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In den Verbindungsstraßen von Johnston und Queens East Road steht ein Krimskrams-Stand neben dem anderen.

Erholung bietet die Gegend um die Star Street. In drei schattigen Straßen haben sich hippe Modegeschäfte wie Kapok, der Monocle-Shop und ein paar Restaurants niedergelassen. Im Maya Café (Moon Street 5) gibt es vegane Speisen und frischgepresste Säfte. Je nachdem, wie stark die Füße wehtun, kann man noch einen Abstecher zum ältesten Tempel auf Hong Kong Island machen - dem Poi Tak. Im Inneren erwartet Besucher nicht nur ein drei Meter hoher Buddha, sondern auch fleißig auf Laptops und Smartphones tippende Tempelwächter. Willkommen in der smarten Moderne!

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Die Fahrt mit den Star Ferry Booten bietet tolle Ausblicke auf die Skyline.

20.00 Uhr

Mit der Star Ferry von Central nach Tsim Sha Tsui in Kowloon fahren. Dauert höchstens zehn Minuten, je nach Verkehrsaufkommen, bietet aber den sensationellen Blick auf die Skyline beidseitig des Ufers - und auf die Lichtshow, die um acht Uhr abends am Kowlooner Hafen begeistert.

21.00 Uhr

In Kowloon leben verhältnismäßig wenige Europäer und Amerikaner, der Stadtteil ist chinesisch geprägt. Zudem strömen Inder, Thais und Afrikaner durch die Gassen - am nächtlichen Temple Street Market treffen die unterschiedlichen Essensgerüche aufeinander. Dieses Aromengemisch muss man verkraften können, auch die Auslagen der Restaurants: Froschschenkel, Hühnerfüße, knusprig gegrillte Schweinchen, alles, was das asiatische Genießerherz begehrt. Aber man sollte unbedingt in einem der unzähligen Lokale die lokale Küche probieren.

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Mit der Peak Tram geht' zur durch üppige Vegetation zur Panoramaterasse über der Stadt.

Der grüne Tag

9.00 Uhr

Um einen ersten Eindruck davon zu bekommen, wie grün die Stadt ist, empfiehlt sich ein Besuch im Botanischen und Zoologischen Garten auf Hong Kong Island. Der Park kostet keinen Eintritt. Orang-Utans, Gibbons, Ibisse - und mittendrin die fittesten Senioren der Welt. Auf dem Hauptplatz üben jeden Morgen dutzende Pensionisten Tai-Chi.

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Im Botanischen Garten wird Tai-Chi ebenso praktiziert wie neben den Wanderwegen im Süden der Insel.

10.00 Uhr

Ganz in der Nähe des Parks liegt die Haltestelle der Peak Tram, die Bahn fährt auf den Victoria Peak - den bekanntesten Aussichtspunkt der Stadt. Eine lange Schlange lindert oft die Vorfreude auf das Vergnügen, deshalb ruhig ein Taxi heranwinken. Die Preise sind deutlich niedriger als in Europa. Das Panorama von der Bergterrasse am Peak ist spektakulär, wenn keine Nebelwolken am 552 Meter hohen Berg hängen bleiben. Bitte nicht wundern: Auch auf dem Peak wartet ein - Tusch! - Shoppingcenter auf Touristen.

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Einsam ist es nicht auf dem Victoria Peak - jeder will wegen dieses Ausblicks rauf.
Foto: picturedesk / Ian Trower / Robert Harding

11.00 Uhr

Mit dem Taxi auf die Südseite der Insel, entlang der teuren Villen und Wohnanlagen. Repulse Bay ist einer der schönsten Strände der Millionenstadt, unter der Woche ist es ziemlich ruhig, am Wochenende platzt der Ort aus allen Nähten. An der Promenade gibt es moderne Restaurants, Bars und viel Platz zum Sonnen. Ostwärts Richtung Stanley Bay wird es noch verträumter, die Felsen fallen dramatisch ins Meer, allerdings existiert nur eine Straße, sodass jeder hoffnungslos im Verkehr stecken bleibt, sollte es zu Staus kommen.

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Die Strände und Buchten der Repulse Bay sind erstaunlich idyllisch für eine Metropole mit 7,2 Millionen Einwohnern.

13.00 Uhr

Busse fahren zurück in Richtung Aberdeen, ebenfalls auf der südlichen Seite von Hong Kong Island. Von dort setzen Fähren über nach Lamma, einer verschlafenen Insel ohne Wolkenkratzer. Im Fischerdorf Sok Kwu Wan legt das Schiff an, von dort führt ein Wanderweg vier Kilometer zur größten Siedlung Yung Shue Wan. Wanderweg heißt: betoniert und ausgebaut, damit auch die Festlandchinesen in Chanel-Jogginghosen auf ihre Kosten kommen.

Der Weg führt über einen Bergrücken, von dort können Besucher auf den abgesperrten Südteil schielen, wo seltene Schildkröten brüten. Ab dem Strand Hung Shin Ye sollte man aufpassen: Zwar ist auf der Insel Autoverkehr verboten, dafür rasen die Bewohner wie Berserker mit ihren Fahrrädern. Im früheren Hippie-Nest Yung Shue Wan gibt es kleine Fischrestaurants, die Fähre Richtung Central fährt alle 45 Minuten vom Pier ab.

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Erst beim letzten Abendessen dämmert's, dass zwei Tage vielleicht doch zu wenig waren für Hongkong. Es gäbe noch genug lohnende Ziele wie etwa die Buddha-Statue auf Lantau.

20.00 Uhr

Einen Tisch im Ho Lee Fook (Elgin Street 1) reservieren und moderne chinesische Küche genießen. Nach dem Essen wird man feststellen: Die Zeit hat nicht gereicht, um die große Buddha-Statue auf Lantau zu sehen oder eines der alten chinesischen Dörfer in den New Territories. Vielleicht auf dem Rückweg nach Europa noch einen Stopp einlegen? (Ulf Lippitz, Rondo, DER STANDARD, 10.04.2015)