Die - sehr hohe - Hürde ist genommen, an der in den vergangenen Tagen die Fortführung der Atomverhandlungen mit dem Iran zu scheitern drohte. Aber das von den USA aufgestellte Diktum "Nichts ist durch, solange nicht alles durch ist" gilt mehr denn je. Der Endspurt bis Ende Juni wird ebenso hürdenreich, denn besonders der Iran, der mehr Federn gelassen hat - und das ist so, ganz egal, was wer von welcher Seite dazu sagt -, wird versuchen, noch einige schmerzhafte Kanten abzuschleifen.

Der Wert des Abkommens für die Eindämmung des iranischen Atomprogramms für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre sowie als Nichtverbreitungsmodell für nukleare Schwellenstaaten ist nicht zu leugnen. Die Frage für die Iran-Gegner bleibt, was nach Ablauf des Abkommens sein wird. Die Antwort, dass, wenn es wie vereinbart hält, der Iran atomar dort stehen wird, wohin er bei Zusammenbruch der Gespräche in wenigen Monaten gelangen könnte, ist für sie nicht befriedigend. Aber mehr gibt es im Moment nicht.

Das heißt nicht, dass sich die USA, die den Iran-Verhandlungen eine eindeutige außenpolitische Priorität gegeben haben, nicht an die mittelbare Zukunft denken. Die Hoffnung, dass der Iran eine Entwicklung nimmt, die ihn zu einem "ganz normalen" Land im Nahen Osten werden lässt, ist für die US-Regierung offenbar intakt.

In der Tat stimmen alle (unabhängigen) Iran-Experten im Großen und Ganzen darin überein, dass die Islamische Republik trotz ihrer ideologischen Aufstellung auch ganz pragmatische Züge hat - und dass der Trend besonders in den vergangenen Jahren eher in Richtung Nationalstaat mit pragmatischen Interessen als zur Versteinerung des vielzitierten "Gottesstaats" geht. Was nicht heißen soll, dass der wiederentdeckte iranische Nationalismus in der Region nicht auch Angst macht, den Arabern mehr als den Israelis.

Für beide, USA und Iran, war es noch am Verhandlungsabend ein Anliegen zu zeigen, dass der abzuschließende Deal nur das Atom-Dossier betrifft, sonst nichts. So tragisch das für die Iraner und Iranerinnen ist, die den Atomdeal als das große Versprechen von Normalität in allen Bereichen sehen, ist im Iran sogar eine Art Backlash zu befürchten. Die Hardliner, für die das Rahmenabkommen die schlimmsten Befürchtungen bestätigt, werden vom Regime nun gestreichelt werden. Die Regierung von Hassan Rohani ist auf längere Sicht zwar gestärkt, wenn die Sanktionsaufhebung funktioniert, und kann andere versprochene Projekte - Stichwort Freiheiten - angehen, aber sie muss sehr vorsichtig sein.

Von US-Verhandler John Kerry kam noch am Abend scharfe Kritik an der aggressiven iranischen Regionalpolitik: auch dies die Botschaft, dass sich an den US-iranischen Beziehungen nichts geändert hat. Im Gegensatz zu Teilen des iranischen politischen Establishments gibt es in dieser (sic!) US-Regierung jedoch keine ideologischen Vorbehalte gegen eine Annäherung.

Die USA mögen versucht sein, die noch herrschenden Unklarheiten beim Sanktionsaufhebungsmechanismus dazu zu benützen, Druck auf den Iran auszuüben, auf den nahöstlichen Schlachtfeldern Syrien und Jemen kooperativer zu sein. Das hat im Jemen bessere Aussichten, denn der Iran ist mit Irak - wo er gegen den "Islamischen Staat" auf der gleichen Seite steht wie die USA - und Syrien ohnehin schon überdehnt. Aber Automatismen und Sicherheiten gibt es keine. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 4.4.2015)