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Bewährte Mischnutzung: In den "Maiskolben" der Marina City in Chicago wohnen Menschen und parken Autos.

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Das Parkhaus, wie wir es alle kennen - und wie es vielleicht bald aussehen wird...

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... Selbstparkende Autos parken unfallfrei Stoßstange an Stoßstange und werden via App bei Bedarf angefordert. ...

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... Das schafft Platz für andere Nutzungsideen.

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Sie sind der Stoff, aus dem Horrorfilme sind. In Parkhäusern werden - zumindest im Film- einsame Seelen überfallen und beraubt, wenn nicht sogar in stickige Kofferräume verfrachtet, tot oder lebendig. Wirklich wohl fühlen wir uns in den dunklen, feuchten, nicht eben wohlriechenden Betonklötzen, oft aus den 1960ern und 1970ern, aber auch in der Realität nicht. Zumindest noch nicht.

Denn in Zukunft könnten wir in und auf Parkhäusern weitaus mehr Zeit verbringen - und das ganz und gar freiwillig: Immer mehr Menschen in Ballungszentren der Industrieländer verzichten aufs eigene Auto, Carsharing boomt. Ungenutzter Parkraum in begehrten Lagen soll künftig in Wohnraum umfunktioniert werden, so der Plan einiger Architekten. Die Ideen reichen von temporären Studentenbuden bis hin zum luxuriösen Penthouse auf dem Dach und sind im Buch Mehr als nur parken. Parkhäuser weiterdenken nachzulesen, das unter Federführung der Akademie der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen vor einigen Monaten veröffentlicht wurde.

Auch der deutsche Architekt Jo Eisele steuerte eine Vision bei. Gemeinsam mit seinem Team entwickelte er eine "Symbiose zwischen Arbeiten und Wohnen", wie er erklärt. Eine WG mit dem fahrbaren Untersatz - was reizvoller klingt, wenn man an eine Zukunft voller emissionsfreier Autos denkt. Wie man auf so eine Idee kommt? "Das Auto ist der Deutschen liebstes Kind", sagt Eisele. "Wir haben den Spruch ein bisschen auf die Schippe genommen."

WG im Parkhaus

Die Nutzung als Parkhaus soll bei der Idee mit einer modularen Wohnnutzung ergänzt werden: Schlafen/Arbeiten, Küche/Wohnen, Sanitärbereiche - und eben das Auto, auf seinem durch Glas abgetrennten Stellplatz, werden zu einer Einheit zusammengefasst. Außerdem, so der Vorschlag, könnte ein zusätzliches Dachgeschoß Events und Ausstellungen ins in der Nacht verlassene Parkhaus holen und Shops dem Erdgeschoßbereich Leben einhauchen.

Besonders Letzteres sei relativ schnell und mit geringeren Mitteln umsetzbar, meint der Architekt, auch Wohnnutzung auf dem Flachdach sei statisch kein Problem: "Parkhausbetreiber müssten sich überlegen, ob das nicht wirtschaftlich einen Gewinn darstellen kann - die Ersten werden am meisten absahnen." Doch auch andere kreative Ideen finden sich in der Publikation: Die Landschaftsarchitekten vom Team atelier le balto aus Berlin zum Beispiel schlagen gleich eine Transformation in einen botanischen Garten vor.

"Ich halte das für interessante Überlegungen", sagt Stefan Sadleder, Geschäftsführer des Parkraumbewirtschafters Apcoa. "Aber ich sehe es noch nicht." Mit der Idee einer teilweisen Wohnnutzung für ein Parkhaus sei bisher niemand an ihn herangetreten. Im Bestand sei das ohnehin schwierig, die Errichtungskosten für ein Parkhaus zudem "überschaubar", ein Abriss also unter Umständen die bessere Option. Aber immer öfter müsse bei der Planung von Parkhäusern auch gleich ein Konzept für die Nachnutzung vorgelegt werden. Und auch Mischnutzung könne sich - je nach Lage - auszahlen.

Beispiele für kreative Lösungen gibt es: In Münster wurde 2011 das Alte Parkhaus Stubengasse völlig transformiert und um zwei Stockwerke aufgestockt - wesentliche Teile der alten Bausubstanz blieben aber erhalten. Wo früher Autos parkten, stehen heute Fahrräder. Verkaufs- und Ausstellungsflächen sowie Wohnungen sind obendrein entstanden.

Begrünte Dächer in Wien

Und auch in Wien tut sich etwas: Auf dem Dach eines Parkhauses in der Windmühlgasse im sechsten Bezirk sollen demnächst Hochbeete aufgestellt werden, die von Menschen aus der Umgebung bepflanzt weden können, erste Interessenten gibt es bereits. Auch kleine Veranstaltungen sind auf dem Dach geplant, berichtet die stellvertretende Bezirksvorsteherin Susanne Jerusalem von den Grünen. Auf die Idee für das Projekt sei man gekommen, als man sich den Bezirk auf Google Earth von oben anschaute - und die großen grauen Flächen auf dem Dach des Parkhauses sah. Die Politikerin hofft nun, dass viele ähnliche Projekte folgen.

Ganz neu sind die Überlegungen nicht: Gedanken zur Nutzung der Dächer von Parkhäusern hat sich der Architekt Le Corbusier schon 1926 in Paris gemacht. Er plante damals Künstlerwohnungen mit Ateliers auf einem Parkhaus. Das ging sich aber finanziell nicht aus.

Einig sind sich Architekten und Parkraumexperten heute in einem: Autofrei spielt's in absehbarer Zukunft nicht. Parkraum wird weiter benötigt. "Die Liebe der Deutschen zum Auto wurde mit SUVs neu entfacht" , glaubt Architekt Eisele gar. Eine Liebe übrigens, die in manchem Parkhaus dank der Fahrzeughöhe und -breite einiger Fahrzeugtypen keinen Platz findet. "Das stellt uns vor neue Herausforderungen", sagt Sadleder - mancherorts würden daher schon XXL-Parkplätze angeboten.

Mehr Ladestationen

Auch andere Entwicklungen werden ein Umrüsten des Bestands erforderlich machen. Dank Elektromobilität zum Beispiel braucht es mehr Ladestationen bei Parkplätzen - "mit allen Herausforderungen, die das bringt", so Sadleder. Denn nicht alle Parkhäuser würden über gute Stromnetze verfügen. Für Parkplätze mit Ladestationen würden dann auch Pre-Booking-Systeme interessant.

Noch Zukunftsmusik sind induktives Laden und selbstparkende Autos. Letztere sind zwar derzeit noch in vielerlei Hinsicht eine "Herausforderung", so Sadleder. Diese würden aber extrem platzsparendes und doch unfallfreies Einparken ermöglichen.

Viel Platz also, der irgendwann in der Zukunft einer anderen Nutzung zur Verfügung stehen wird - vielleicht ja für eine Wohngemeinschaft mit einem selbstfahrenden Elektroauto als Mitbewohner. Das dann bei Parkhausszenen in Horrorfilmen still mitleidet. (Franziska Zoidl, DER STANDARD Rondomobil, 11.4.2015)