Bild nicht mehr verfügbar.

Mit dem Galaxy S6 rückt Samsung deutlich näher an Apples Designphilosophie.

Foto: AP/Matthews

Bild nicht mehr verfügbar.

Die gebogenen Ränder der teureren "Edge"-Version lassen derzeit aber praktischen Mehrwert vermissen.

Foto: Reuters

Drei Generationen lang schien Samsung mit seinen Galaxy S-Reihe alles richtig zu machen. Insbesondere das S3, laut Designern äußerlich inspiriert von einem glattg gewaschenen Stein in einem Bach, fand großen Anklang bei der Kundschaft. Doch dann begann die Serie langweilig zu werden. Andere Hersteller rückten mit konkurrenzfähigen Spezifikationen und Smartphones mit eigenen Besonderheiten auf und konnten Samsung erfolgreich zusetzen. Insbesondere LG gelang es, sich mit dem G2 und G3 wieder ein größeres Stück des Kuchens zu holen.

Das Galaxy S5 schließlich erhielt zwar Lob für all seine Funktionalitäten, wurde aber insgeheim als eher langweilige Erweiterung der Spezifikationsliste des Galaxy S4 empfunden. Obwohl vom Fingerabdruckscanner bis zum wasserfesten Gehäuse, gutem Display und tauglicher Kamera alles an Bord war, blieb der Erfolg in den Läden offenbar unter den Erwartungen. Samsung reagierte. Ein Teil des Designteams wurde ausgetauscht, das S6 sollte eine Neukonzeptionierung der Serie werden.

Samsungs neue Kleider

Vor wenigen Wochen wurde das Highend-Smartphone vorgestellt, mittlerweile sind auch die ersten Rezensionen da. Unisono wird die Ausführung des mobilen Begleiters gelobt, der mit alten Gewohnheiten bricht. Die neuen Kleider stammen jedoch, wenn man so will, aus einer bekannten Schneiderei. Denn das S6, das als S6 Edge auch in einer Variante mit gebogenen Rändern an den Längsseiten existiert, wird in fast allen Tests einem direkten Vergleich mit Apples iPhone 6 unterzogen.

Nach dem Vorboten namens Galaxy Alpha hat Samsung mit seinem neuesten Flaggschiff das Zeitalter des Kunststoffs im Highend-Bereich hinter sich gelassen. Metall und Glas zieren das gut verarbeitete Gehäuse, das ästhetisch und haptisch dem Premiumanspruch in seiner Preisklasse genüge tut. Am S6 sieht man auch, dass sich Samsung von Apple hinsichtlich des Designs seines Gerätes zumindest inspirieren hat lassen.

Premium-Gefühl statt Erweiterbarkeit

Dem Canossagang nach Cupertino folgen aber auch Konsequenzen. Die neue Bauweise bedingt, dass das Handy dafür an Modularität einbüßt. Die Rückseite ist nicht mehr abnehmbar, der Akku somit fix verbaut. Auch eine Erweiterung des internen Speichers mit einer microSD-Karte kann nicht mehr vorgenommen werden. Auch die Wasserdichtigkeit, beim S5 erstmals von der "Galaxy Active"-Reihe übernommen, hat Samsung zugunsten des neuen Konzeptes gestrichen.

Das Look and Feel des S6 ist wohl geeignet, die Wogen zwischen "Fanboys" von Samsung und Apple hochgehen zu lassen, merkt man bei The Verge an. Doch während erzürnte Internetuser darüber streiten, wer wann wen kopiert hat, vergnüge er sich lieber mit dem "eleganten und edlen" Handy, meint Autor Dieter Bohn.

Kaum Mehrwert durch Rand bei Edge-Version

Bei Forbes und dem Wall Street Journal sieht man das S6 als würdigen Herausforderer für Apples aktuelles Flaggschiff. Denn auch die inneren Werte überzeugen. Das hochauflösende, gute Display erweist sich als optimal für den Medienkonsum. In Sachen Performance leistet man sich ebenfalls keine Schnitzer. Recht wenig holt Samsung aus den gebogenen Rändern der Edge-Variante heraus. Hier fehlen nach wie vor überzeugende Anwendungsfälle und auch Sonderfunktionen, wie man sie vom Galaxy Note Edge kennt – etwa Spiele oder eine eigene Navigationsleiste für den RSS-Reader Flipboard. Den 100-Euro-Aufpreis sind die abgesenkten Randbereiche momentan nicht wert.

Bei CNet findet sich ein direkter Kameravergleich mit dem aktuellen iPhone und HTCs One M9. Je nach Lichtsituation ist Samsungs Smartphone dabei qualitativ mal knapp über, mal knapp unter dem Niveau des Apple-Geräts, während die Defizite des Kamerachips im M9 erneut offensichtlich werden. Wer mit seinem Handy gerne gute Fotos macht, kommt derzeit wohl kaum an Samsung und Apple vorbei.

Aufgeräumteres System, mäßige Akkulaufzeit

Als Betriebssystem liefert das Galaxy S6 Android 5.0 mit Samsungs eigener Touchwiz-Oberfläche, die sich mittlerweile aber angenehm reduziert präsentiert. Weiterhin gibt es eine Fülle an Hersteller-eigenen Funktionen, die jedoch nicht mehr die Hauptmenüs in die Länge ziehen, sondern tiefer vergraben und Großteils standardmäßig abgeschalten sind.

Bemängelt wird jedoch die Akkulaufzeit. Mit 2.550 bzw. 2.600 mAh (Edge) ist der Energiespeicher für ein Handy dieser Größe tendenziell unterdimensioniert. Intelligentes Energiemanagement könnte dies in der Theorie ausgleichen, in der Praxis scheint die Akkulaufzeit aber eher zu enttäuschen.

Kommt man beim Webbrowsen auf neun Stunden Nutzung, muss man, so man öfter Videos streamt oder Spiele spielt, damit rechnen, dass das Handy schon in den frühen Abendstunden den Energiesparmodus anwirft. Immerhin erleichtert Samsung das Aufladen aber durch die Unterstützung beider aktuell gängiger Drahtlos-Ladefunktionen sowie Rapid Charging per microUSB.

Erfolgsversprechend

Insgesamt beweist Samsung mit dem Galaxy S6 letztlich, dass der Konzern entgegen anderer Anzeichen sehr wohl fähig ist, zu lernen und sich unter Druck auch nicht scheut, seine Produkte radikaleren Veränderungen zu unterziehen.

Eine Strategie die ersten Berichten über rasante Nachfrage zufolge aufgehen dürfte – auch wenn der Wandel manche Nutzer abschrecken könnte, die die bisherige Erweiterbarkeit des Galaxy S zu schätzen wussten. (gpi, derStandard.at, 2.4.2015)