Simples Sitzmöbel: In Farbe getauchte Baumstrünke, die wie Skulpturen wirken.

Foto: Bleu Nature/Gilles Piat

Antonia Edwards, "Upcyclist", 256 Seiten, 275 Fotos, Verlag Prestel, 36,- Euro

Foto: Prestel Verlag

Beim Schreiben des Wortes Upcycling muss man ganz schön die Finger verbiegen. Früher sagte man Basteln, Erfinden oder Umbauen. Heute heißt es Upcyclen. Leute, die noch vor einigen Jahren selbst etwas zusammenschraubten, hießen Heimwerker. In diesen Zeiten sind sie Teil der DIY-Bewegung. Egal, wie man die Dinge benamst, sie sind schwer angesagt, und bei den Ergebnissen handelt es sich längst nicht nur mehr um Bastelwerk aus Kaffeekapseln oder Möbel aus Bierkisten.

Aus welchem Grund auch immer, ob es den Selbermachern um Konsumverweigerung, Subversion, die Befreiung von Geschmacksdogmen, ökologische Gründe oder kreative Selbstverwirklichung geht, das Upcyclen, also das Bessermachen von vermeintlichen Abfallprodukten oder anderem Kramuri, ist eine gedeihende Spielwiese.

Auf dieser zu Hause ist auch die in London beheimatete Innenarchitektin Antonia Edwards, aus deren preisgekröntem Upcycling-Blog nun das Buch Upcyclist hervorgegangen ist. Wie auf ihrem Blog www.upcyclist.co.uk versammelt sie auch im Buch intelligente, neue Ideen und äußerst persönliche und individuelle Entwürfe aus allen nur erdenklichen Materialien.

Der Designer Stuart Haygarth pimpte diese Leuchte mit unzähligen kleinen Keramikhündchen auf. Fesch, aber abstaubintensiv!
Foto: Stuart Haygarth

Keine Massenware

Das Buch bietet im Gegensatz zu so manchem Coffee-table-Schinken bei jedem Umblättern eine Überraschung, denn eines ist klar: Upcycler schaffen Unikate, die Serie ist das ihre nicht. Was das Buch noch ist: eine große Ideenspende, denn schon vor dem zweiten Kapitel möchte man den Werkzeugkasten aus dem Schrank holen und draufloshämmern. Apropos Kapitel, das Buch mit seinen 256 Seiten ist in Bereiche gegliedert, die sich verschiedenen Materialien widmen. Los geht die Reise mit Holz, weiter geht es über Textilien, Metall, Glas und Keramik, Papier und Plastik zur Endstation, an der man sich mit dem Mix von Werkstoffen beschäftigt.

Ihr Trip führte Antonia Edwards um die ganze Welt, sie klopfte an die Türen von Designern, Künstlern und anderen Kreativen, welchen gemein ist, dass es sich bei ihren Arbeiten nicht um zusammengeschusterte Notlösungen handelt, sondern um durchdachte Konzepte, die eine verblüffende Ästhetik hervorbringen.

Da wären zum Beispiel die Objekte von Nicole Teng, die in Schanghai aus altersschwachem Mobiliar und Textilien Möbel kreiert, die durch Tier- und andere Fratzen derart frech und charmant daherkommen, wie man es noch kaum gesehen hat. Zwei Seiten weiter verarbeitet Inghua Ting in London und Los Angeles haufenweise Ledergürtel zu einem einzigartigen Bodenbelag, über den man schnurstracks wandeln möchte.

Einen verwandten Zugang zu alternativer Raumgestaltung findet Corvin Christian im Restaurant Bon in Bukarest. Statt Gürtel für den Boden verwendet er unzählige alte Türen unterschiedlichster Machart und Farbe als Wandverkleidungen.

Restaurant Bon in Bukarest.
Foto: Corvin Cristian

Es geht aber auch weniger cosy. Wie wäre es zum Beispiel mit ein bisschen Metropolis für die gute Stube, also einem Stück aus der Werkstatt des Briten Paul Firbank, der die irrwitzigsten, blank poliertesten Leuchtenteile aus allerlei alten Motorteilen schweißt?

Auf den ersten Blick weniger angetan hat sich Frank Lefebvre, der unter anderem wuchtige Baumstrünke in Farbe tunkt und so wohl die archaischste Form eines Sitzmöbels schafft. Dennoch, so einfach und reduziert die Holzzylinder auch sein mögen, sie kommen wie Skulpturen daher und bieten einen wunderbaren Platz, um darüber zu philosophieren, warum eigentlich noch Sessel entworfen werden.

Außer den Aha-Erlebnissen bietet das Buch ein frisch-fröhliches Sprudelbad an Ideen, neben dem sich so manch aalglatte, kiloschwere Designerschwarte schnell im Regal verstecken sollte. Und nun Ärmel hoch! (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 15.4.2015)