Göttingen - Fließend zu sprechen, kann eine Herausforderung sein - man denke nur an die Probleme von König Georg VI., die im Film "The King's Speech" eindrucksvoll abgehandelt wurden. Neue Forschungsdaten zeigen nun, wie Bewegungsbereiche des Gehirns das Sprechen vorbereiten, und was hier bei Menschen gestört ist, die seit der Kindheit stottern.

Bekannt ist: Die Bewegung des rechten Armes und des rechten Beines wird von der gegenüberliegenden linken Gehirnhälfte gesteuert. Dagegen sind die mittelliniennahe Sprechorgane wie Zunge, Lippen, Kiefer und Stimmlippen beidseitig gesteuert. Das heißt, beide Hirnhälften innervieren beide Muskeln beider Seiten. Man hätte also annehmen können, dass auch die Sprechvorbereitung in beiden Hirnhälften gesteuert wird.

Laut einer aktuellen Studie spielt aber für die Sprechvorbereitung vor allem die linke Hirnhälfte eine Rolle. Nicole Neef und Martin Sommer von der Klinik für Klinische Neurophysiologie der Universitätsmedizin Göttingen konnten dafür den Beweis erbringen. Sie verwendeten dafür eine Technik mit hoher zeitlicher Auflösung, indem sie mit kurzen elektromagnetischen Impulsen während des Sprechens die Bereiche des Gehirns, die die Zunge steuern, stimulierten.

Dynamische Regulierung der Erregbarkeit

Elektroden auf der Zungenmuskulatur machten es erstmals möglich, Änderungen in der lokalen Hirnerregbarkeit während des Sprechvorganges zu verfolgen. Bei der Kontrollgruppe nicht stotternder Erwachsener zeigte vor allem die linke Hirnhälfte während des Sprechvorgangs eine dynamische Regulierung der Erregbarkeit, die die Zungenbewegung steuert.

Diese Modulation fehlt bei Stotternden, abhängig von der Intensität der Störung. Je schwerer die untersuchten Probanden gestottert haben, desto schlechter funktioniert die Bewegungsvorbereitung im linksseitigen motorischen Areals des Gehirns.

Sprechvorgänge werden demnach überwiegend von der linken Hirnhälfte aus gesteuert. Dies war bislang zwar für die Sprachverarbeitung bekannt, für die Sprechvorbereitung aber nicht klar. "Die Wechselbeziehung zum Ausmaß des Stotterns legt darüber hinaus eine funktionelle Bedeutung des Befundes nahe", sagt Martin Sommer, Letzt-Autor der Publikation. Der linke Motorkortex und die seine Erregbarkeit beeinflussenden, verbundenen Hirnbereiche sollen nun gezielt untersucht werden, um für Betroffene Therapien zu entwickeln, die das flüssiges Sprechen erleichtern. (red, derStandard.at, 31.3.2015)