Stefan Brocza geht in seinem Kommentar zum Stand der Verhandlungen der Neubesetzung der Professur "Politische Theorie" am Institut für Politikwissenschaft, die Eva Kreisky fast 20 Jahre - von 1995 bis 2012 - innehatte und die sie zu einem international beachteten Forschungs- und Lehrzentrum für Kritische Theorie und Genderfragen ausbaute, auch auf die Umstände der Ernennung Eva Kreiskys ein. Die Darstellung dieser Vorgänge, die er "laut damaligen Gerüchten" (O-Ton Brocza in "Uni Wien: Keine Gender-Erbpachten" im STANDARD vom 17. März 2015) rekonstruiert, kann nicht unwidersprochen bleiben.

Eva Kreisky war auf der Berufungsliste nicht an zweiter Stelle, wie Brocza schreibt, sondern ex aequo mit dem deutschen Politologen Ulrich von Alemann an erster Stelle gereiht. Ich war damals als Institutsvorstand in den Verhandlungsprozess involviert. Auf der Basis dieser meiner Erfahrungen und Informationen steht es für mich fest, dass der fast zwei Jahre dauernde Ernennungsprozess darauf zurückzuführen war, dass Wissenschaftsminister Erhard Busek und die ÖVP die vormals von Heinrich Schneider bekleidete Professur als eine Art Besitzstand des katholischen Konservativismus betrachteten und dieses Lehen nicht einer zwar international sehr gut ausgewiesenen, aber linken Sozialdemokratin und Feministin überlassen wollten.

Katholischer Anspruch

Mindestens zweimal wurde diese Blockadehaltung des ÖVP-Ministers in Gesprächen mit dem Bundeskanzler erörtert. Die Weigerung Buseks, Eva Kreisky zu ernennen, stand auch im schlagenden Gegensatz zur damaligen öffentlichen Bemühung Buseks, österreichische Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus dem Ausland zurückzuholen, Eva Kreisky war bis 1993 Professorin an der Freien Universität Berlin. Wissenschaftsminister Busek lenkte dann schließlich ein und begann die Verhandlungen mit Eva Kreisky, die dann zu einem Abschluss im Jahre 1995 führten.

Die Umstände, die ich hier am Beispiel der Berufung Eva Kreiskys schildere, die politische Kontrolle der Berufung von Hochschulprofessorinnen und -professoren durch den jeweiligen Wissenschaftsminister stellten insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften den Normalfall in der österreichischen Hochschulpolitik dar. Diese aus dem nach 1945 herrschenden Proporzsystem, der Aufteilung Österreichs in die Besitzstände von ÖVP und SPÖ zu erklärende politische Instrumentalisierung der Besetzung von Leitungsposten im Bereich von Universitäten und Schulen, die bei der Besetzung von Schuldirektoren immer noch praktiziert wird, wurde nun durch das Universitätsgesetz des Jahres 2002 weitgehend abgebaut.

In Rektorenhand

Nun wurden die Entscheidungen in den Berufungsprozessen, die Frage, mit wem der von den Berufungskommissionen vorgeschlagenen Personen Verhandlungen aufgenommen wurden, aus der Verantwortung des Wissenschaftsministers in die Hände der Rektoren der Universität übertragen, was eine wesentliche Objektivierung und Entparteipolitisierung zur Folge hatte.

Leider oder besser gesagt tragischerweise haben sich ungeachtet der positiven Auswirkungen der Autonomisierung der Universitäten die sonstigen Rahmenbedingungen für die österreichischen hohen Schulen keineswegs verbessert. Im Gegenteil, die Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs wurden durch Kurzzeitverträge und erbärmliche Remunerationen für die Lektoren wesentlich verschlechtert.

Deutlicher Niveauverlust

Die kritiklose Übernahme der Bologna-Kriterien, die Einführung eines dreistufigen Ausbildungssystems, mit einer stark verschulten ersten Bachelorphase bei einer gleichzeitigen Stagnation des Personalstandes, haben vor allem in den Massenfächern wie in der Politikwissenschaft zu einem deutlichen Niveauverlust geführt.

So kontrastiert der Jubiläumsjubel, mit dem zurzeit 650 Jahre Wiener Universität gefeiert werden, mit dem tatsächlich sehr wenig zukünftigen Zustand von Lehre und Forschung an den österreichischen Universitäten und dem Desinteresse an Wissenschaft und Universitäten seitens der politischen Klasse wie auch der österreichischen Bevölkerung. "Diese Geringschätzung", so der aus Österreich gebürtige Biochemiker Gottfried Schatz, ehemaliger Präsident des Schweizer Wissenschaftsrates im STANDARD vor wenigen Tagen, "hat dazu geführt, dass der Abstand der österreichischen Universitäten zu den guten Universitäten des europäischen Auslandes größer wird." (Helmut Kramer, DER STANDARD, 30.3.2015)