Eine gewisse Genialität ist der Wiener SPÖ nicht abzusprechen. Wenn es um politischen Machterhalt und die Absicherung von Einfluss geht, zeigen Verantwortliche Kreativität, da laufen die Parteistrategen zur Hochform auf. Im Fall des Wiener Wahlrechts, das der SPÖ als Mehrheitspartei zusätzliche Mandate zuschanzt, übten die Sozialdemokraten auf den Juniorpartner zunächst erfolglos Druck aus. Und dann fand man in Şenol Akkiliç just jenen wankelmütigen Grün-Mandatar, mit dessen Hilfe die Wahlrechtsreform gekippt werden konnte. Damit wandelt die SPÖ auf den Spuren Frank Stronachs, der wechselwillige Politiker für seine neue Partei aufspüren konnte.

Der Übertritt "aus freien Stücken", wie es der rote Klubchef Rudolf Schicker formulierte, wurde Akkiliç mit einem gut dotierten SPÖ-Fixmandat für weitere fünf Jahre im Landtag versilbert. Bei den Grünen war Akkiliç im Kampf um einen Fixplatz noch gescheitert. Der Transfer hat sich für die Roten bereits jetzt ausgezahlt: Akkiliç verhinderte mit seiner Stimme die Reform. Die Abstimmung ging 50:50 aus, was einer Ablehnung gleichkommt. Dabei trug er bis dato das grüne Vorgehen beim Wahlrecht mit.

Der fragwürdige taktische Erfolg der SPÖ ist das eine, die moralisch bedenkliche Ausreizung der Demokratie ist das andere. Dieses politische Theater hat Schaden verursacht und wird in der Wählerschaft zu noch mehr Skepsis gegenüber Politikern im Allgemeinen führen. (David Krutzler, DER STANDARD, 27.3.2015)