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Tomas Tranströmer fühlte sich nicht nur zur Lyrik berufen: Der Schwede arbeitete auch als Psychologe.

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Stockholm/Wien - Ein schmales, aber intensives Werk von rund 100 Texten hat dem schwedischen Lyriker Tomas Tranströmer 2011 den Nobelpreis für Literatur eingebracht. Es war die unter Kennern umjubelte Ehrung eines der breiten Öffentlichkeit weitestgehend Unbekannten. "Wo andere hundert Worte machen würden und zehn genügten, da gibt uns Tranströmer ein einziges", lobte die FAZ damals.

Am 15. April 1931 in Stockholm geboren, publizierte Tranströmer 1954 seine erste Gedichtsammlung 17 Gedichte. Trotz des vielbeachteten Debüts sollte es noch drei Jahrzehnte dauern, bis man den "Präzisionsdichter" international als einen der bedeutendsten seiner Generation erkannte.

Das mag daran liegen, dass er sich stets quer zum Zeitgeist stellte und seine von vielerlei Einflüssen inspirierten Verse nur schwer auf einen stilistischen Nenner zu bringen sind: In einer kargen, oft verschlüsselten und komprimierten, aber mit überraschenden Metaphern durchwobenen Sprache legt Tranströmer eine subjektive Weltsicht dar, die immer wieder den Kampf des Individuums um (geistige) Freiheit in einer materialistischen Welt thematisiert.

Wahrnehmung und Gefühl waren die Rohstoffe, die der neben seinem Schreiben als Psychologe Arbeitende in etwas Konkreteres übersetzte: "Meine eigentliche intellektuelle Leistung besteht darin, dass ich versuche, die Dinge deutlich zu machen, dass sie auf der Erfahrungsebene auch für den Leser begreiflich werden."

Dabei sei, wie er 1986 feststellte, das Einzige, was für ihn zähle, die Vision, nicht eine Ideologie. Stimmen, die ihm vorwarfen, seine Lyrik habe (zu) wenig mit der "Wirklichkeit" zu tun und er betreibe "Kunst um der Kunst willen", begegnete er, indem er wiederholt den Missbrauch der Sprache thematisierte. So heißt es in Nachtdienst von 1970: "Die Sprache marschiert im Gleichschritt mit den Bütteln / Deshalb müssen wir eine neue Sprache suchen."

Auch ein Schlaganfall 1990 konnte ihn davon nicht abhalten. Unterstützt von seiner Frau verfasste Tranströmer, halbseitig gelähmt und sprechbehindert, nun Kurzformen und Haikus. Sein Gesamtwerk von 500 Seiten liegt heute in mehr als 60 Sprachen vor.

Am Ende eines Gedichts von 1954 fragt er 23-jährig: "Der Reisende steht unter dem Baum. Wird / nach dem Sturz durch den Wirbel des Todes / ein großes Licht sich entfalten über seinem Haus?"

Tranströmers Reise ist am Freitag zu Ende gegangen. Mit 83 Jahren verstarb der "Poet, den alle lieben" (Aftonbladet) in Stockholm. (Michael Wurmitzer, DER STANDARD, 28./29.3.2015)