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Natürlich hätten wir auch fragen können: In kleinen Gemeinden ist es gemeinhin nicht so schwer, das Schwimmbad zu finden. Aber die App anzuwerfen und auf "Find Pools" zu tippen, funktioniert eben auch: Dass das Hallenbad Gosau zwar keine Webseite, aber ein 25-Meter-Becken hat, hätte nicht jeder Passant gewusst. Und die Idee, eines globalen Schimmbad-Navis hat etwas. Außerdem: Tipps und Tricks, um "von der Badewanne auf 500 Meter" zu kommen, findet man auch nicht auf der Straße – da muss man dann fragen. Oder einen Trainingsplan haben. Oder eine App. Etwa die "Fit App" von Speedo.

Mit ebendieser reiht sich die – nach eigenen Angaben – den Schwimmbekleidungs-Weltmarkt dominierende Marke in die Liste der Unternehmen ein, die mit Apps und Onlinediensten die Welt fitter machen wollen. Und ganz nebenbei über Kundenbindung ihr Image aufpolieren. Und dann – nochmal nebenbei –so erfahren, was wer wann wie und warum tut. Das nennt man Marktforschung.

Fußfessel & "geile App"

Sport-Apps liegen im Trend. Kaum ein Smartphone kommt ohne Schrittzähler daher. Gemessen, getrackt, analysiert und vernetzt/veröffentlicht wird (fast) alles. Auch Vital- und Gesundheitsdaten: Sit-Up-App-Programm plus Nahrungsmittelanalyse mit Kalorienzähler plus Lauf-, Bike- oder Leichtathletik-Apps ergeben ein schönes Profil. Erst recht, wenn die Waage sich per Bluetooth mit dem Netz und diversen Health-Tools verbindet. Dort landen auch die Daten des "Activity Loops" (und anderer Bewegungstracker am Handgelenk): Der Selbstoptimierungs-Gadget-Markt ist so unübersichtlich wie spooky.

Und ob die Zusammenführung dieser Daten – etwa über die fix in Apples iPhone implementierte "Health"-App – ein Segen oder totale Kontrolle bringen, ist eine müßige Frage: Was im Strafvollzug "elektronische Fußfessel" heißt, nennt man im Alltag "geile App" – und das Publikum liebt es. (Mein Buchtipp dazu: "Zero" von Marc Elsberg – ein irrer Datensammelthriller, der nur auf Apps und Anwendungen basiert, die es längst gibt.)

Egal. Hier und heute geht es um die "Fit App" von Speedo. Die ist schon auf den ersten Blick fein: "Egal, ob man sich gerade auf halber Strecke der digital simulierten Durchquerung des Ärmelkanals befindet oder "nur" sein 1.500-Meter-Workout beendet hat – in der weltweiten Schwimm-Community kann jeder seine Zeiten, Bahnen und Erfolge für sich dokumentieren, teilen und sich gegenseitig motivieren", jubelt der Pressetext.

Foto: Thomas Rottenberg

Das Tool hilft aber tatsächlich, dem Schwimmen Struktur und System zu geben. Durch Trainingspläne wie "Von der Badewanne zu den ersten 500 Metern". Natürlich sind das 08/15-Pläne. Aber für den Anfang genügt das: zu erleben, wie man in fünf Wochen als Anfänger an die "magische Schwimmer-Meile" (1.500 Meter) gelangt, ist doch nicht schlecht, oder? Davon träumen viele – aber als Anfänger deshalb gleich in einen Verein (wo alles soooo gut schwimmen) gehen? Oder Trainerstunden zahlen? Eben.

Schwimmen ist vor allem eines: Technik. Die App hilft auch hier: Sie verlinkt zu Training- und Technik-Videos. Nur: Geht Schwimmenlernen "trocken" per Bildschirm überhaupt? Ja: Ich selbst habe mir – als jahrzehntelanger Köpfcheninderhöhbrustschwimmer – vor ein paar Jahren über Youtube die Basics des Kraulens beigebracht. Das gelang – bis zu einer gewissen Grenze: Kontrolle und Korrektur kann nur ein Trainer vor Ort liefern. Erst dann wird daraus schwimmen. Aber das sehen die Speedo-Leute auch so.

Für danach

Der Haken der App ist aber anderswo – und offensichtlich: Schwimmen ist nicht Laufen – weil es im Wasser stattfindet. Und Wasser und Smartphones gelten gemeinhin als inkompatibel. Zu Recht – auch wenn es schon wasserdichte Geräte gibt. Aber sogar in wasserfesten Schutzhüllen würde kaum ein Schwimmer sein Handy am Beckenrand ablegen. Auch das wissen die PR-Leute von Speedo genau. Im Off kommt dann: "Wenn du 50 Meter weit weg bist und den Kopf unter Wasser hast, kriegt ein iPhone leicht Beine." Im On betonen sie, dass die App gar NICHT fürs Echtzeittracken, sondern für das Eintragen, Analysieren und Community-Spielen danach konzipiert ist.

Wobei es da noch Luft nach oben gibt: Die Eingabe von Trainingsdaten kann derzeit ausschließlich manuell erfolgen. Der Import von Daten, die etliche Schwimmcomputer und Sportuhren längst auch im Wasser sammeln, ist (noch) nicht möglich. Und außer mit der Apple-Health-App "versteht" sich die Speedo Fit-App mit keiner Vital- oder Trainingsdatenplattform.

Freilich: Ob das ein Manko ist? Schließlich zielt die App nicht auf jene, die bereits gecoacht und motiviert mit oder ohne Wettkampf-Ambition ihre Bahnen ziehen – sondern auf jene, die das gerne auch tun würden. Und denen eine einfach und intuitiv zu bedienende Gratis-App den Sprung ins (gar nicht so) kalte Wasser vielleicht leichter machen würde. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 29.3.2015)