Tanzballast von Maria Teresa Tanzarella im Schikander.

Foto: Tanzarella

Wien - Wie viel Lebenszeit wird mit lupenreinem Schwachsinn verschleudert. Das hat etwas Tragisches an sich, und darüber macht sich Bianca Anne Braunesberger in ihrem Tanzsolo The Stupidity of Human Being lustig. Zu sehen war dieses gleichermaßen knappe wie ambivalente Vergnügen am Montag in der März-Ausgabe des Jungchoreografen-Formats Raw Matters im Schikanederkino.

Zu dem Überflüssigen, in dem man seine Zeit ersäufen kann, ist viel geschrieben, gesungen und gespielt worden. Aber darüber getanzt wurde bisher wenig. Braunesberger hat das riskiert und gestische Metaphern für die ganze Leere des Nicht-wissen-was-Tun gesucht. Glücklicherweise ist The Stupidity of Human Being kein aufrüttelnd gemeinter Appell geworden. Ohne fades Pathos jongliert da eine Frau ihren Körper schön sinnbefreit und an der Grenze zur Billigkeit durch einen - attraktiv aussehenden - Bewegungsballast, den sie bis zum Schluss nicht loswird.

Es geht auch tiefer. Richtigen Lebensballast trägt die Frauenfigur in sich, die in Maria Teresa Tanzarellas One-Woman-Improvisation unter dem Titel of dark areas, unexplained episodes, unmade choices, missed opportunities auftritt. Oder vielmehr aus einer undurchdringlichen Finsternis auftaucht, gekleidet in existenzialistisches Schwarz und mit himmlisch blauen Augenbrauen geschmückt. Im Gegensatz zu Braunesbergers leichtem und Leichtfertigkeit imitierendem Duktus zeigt Tanzarella, die ihre Arbeit selbst interpretiert, Bewegungen von Gewicht.

Auch hier folgt das Publikum einem konzis gehaltenen Tanz. Die Tänzerin scheint sich von lasziver Musik wie durch einen Traum treiben zu lassen. Berauscht oder entspannt ist sie dabei allerdings nicht, sondern hellwach, in sehr differenzierter Bewegung. Mit gegeneinander laufend langsamen und schnellen Sequenzen steigert Tanzarella (das ist kein Künstlername!) die Spannung in ihrem Stück zusätzlich. So gibt sie die traurige Stand-up-Figur, die, ohne einen Witz zu reißen, der verpassten Chance einen würdigen Auftritt verschafft.

Eine gewisse Würde hat auch das coole Duett Edit me please von Lilly Pfalzer und Sergio Valenzuela Valdés. Die beiden lassen ihre Videokameras nie allein, und ihre Lässigkeit haben sie direkt aus den sozialen Medien kopiert. Das kommt ganz gut, denn es geht auch hier darum, dass es in alldem digitalen Socializing nur um wenig mehr als gar nichts geht. Gefühle sind Imitationen, Bilder Fakes, und Worte dienen überwiegend dazu, narzisstischen Nonsens zu produzieren. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 25.3.2015)