Über seine Familie spricht Martin von Trapp offensichtlich nicht gerne. "Ich dachte, Sie wären wegen des Käses hier", grummelt er nur missmutig. Dann wendet er sich einfach ab und wirft den Motor der Holzsäge an. Erst als sein Sohn Sebastian ihm versichert, dass die Käserei bereits besichtigt, die Kühe auf der Weide schon fotografiert und der Käse gerade verkostet wurde, stellt er die Maschine wieder ab, dreht sich um und verschränkt die Arme.

Foto: Georges Desrues

Der großgewachsene Mann im grauen Arbeitsgewand mit dem Pferdeschwanz und der Baseballkappe ist ein Enkel des österreichischen Barons Georg von Trapp, der im Ersten Weltkrieg k. u. k. Marineoffizier war und nach dem "Anschluss" an Hitler-Deutschland den Nazis seine Dienste verweigerte. Stattdessen wanderte er mit seiner zweiten Frau und neun Kindern in die USA aus, wo die Salzburger Familie unter dem Namen The von Trapp Singers Gesangskarriere machte.

Über das Leben der Familie schrieb die als Maria Augusta Kutschera geborene Maria von Trapp, zweite Frau des Barons und Stief-Großmutter Martins, ein Buch, aus dem in der Folge ein Musical wurde, das in seiner Verfilmung unter dem Namen The Sound of Music als einer der größten Erfolge aller Zeiten in die Geschichte Hollywoods einging. Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Films sang Lady Gaga bei der vergangenen Oscar-Verleihung ein Medley daraus - mit Liedern, die in Amerika jedes Kind kennt und mitsingen kann.

Fremdes Österreich-Bild

Hierzulande blieb The Sound of Music über Jahrzehnte weitgehend unbekannt - und das, obwohl der Film inklusive Soundtracks das Bild Österreichs und Salzburgs in der gesamten englischsprachigen Welt nachhaltig geprägt hat und dort zur Allgemeinkultur zählt. Inzwischen sind also bereits zwei Generationen Österreicher bei Reisen nach Amerika, Großbritannien oder Australien immer wieder mit Songs konfrontiert worden, die ihnen selbst zumeist unbekannt waren.

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Picknicken mit der Familie Trapp: wie in "The Sound of Music" anno 1965 im Salzkammergut.
Foto: Picturedesk / Everett Collection

Das trifft zum Beispiel auf den Titelsong aus der beeindruckenden Eröffnungsszene zu, in der sich Julie Andrews in ihrer Rolle als Maria in einem Dirndl durch die idyllische Landschaft des Salzkammerguts dreht und dabei "The hills are alive with the sound of music" trällert. Oder auf jenen anderen, in dem Andrews ein Stück Apfelstrudel und "Schnitzel with noodle" als ihre Lieblingsgerichte besingt. Oder auch auf die Schnulze Edelweiß, die Christopher Plummer in der Rolle als Georg von Trapp als patriotische Hommage zum Abschied an seine Heimat anstimmt; und von der zahlreiche Angelsachsen bis heute glauben, es handle sich um ein uraltes Salzburger Volkslied oder gar um Österreichs offizielle Nationalhymne.

Aber warum blieb der Film hierzulande weitgehend unbekannt, obwohl er ein eindeutig positives, ja idyllisch verklärtes und antinationalsozialistisches Bild Österreichs malt, das jenem zahlreicher inländischer Heimatfilme - den politischen Inhalt ausgenommen - nicht unähnlich ist? "Ja, das habe ich gehört, dass die Österreicher den Film kaum kennen", antwortet Martin von Trapp, dessen Vater Werner auf Seite der Amerikaner in den Krieg zog, "vielleicht liegt es einfach daran, dass man die Familie als Verräter betrachtete, mit der man nichts mehr zu tun haben wollte."

In Vermont auf der Farm von Martin, Kelly und Sohn Sebastian von Trapp.
Foto: Georges Desrues

Das ist allerdings eine Theorie, die laut der Volkskundlerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann erst in jüngerer Zeit auftauchte und vermutlich aus dem Kreis der Familie selbst stammt. "Viel eher fehlt es dem Film an Identifikationsmöglichkeiten für Österreicher. Das Bild der Maria entspricht einem typisch amerikanischen Frauenbild aus der Zeit. Und der Baron wirkt eher britisch als österreichisch", sagt Kammerhofer-Aggermann, die zu Sound of Music ein Buch veröffentlicht hat.

Martin von Trapps Problem mit dem Film ist ein anderes: "Das Ganze ist eine einzige Kitschorgie, die mit der Realität meiner Familie überhaupt nichts zu tun hat und mich dennoch seit meiner Kindheit verfolgt", sagt er, "in Wahrheit war meine Stief-Großmutter ein ziemliches Ekel, eine herrschsüchtige und selbstverliebte Person, die ihre gesamte Familie und Umgebung drangsalierte." Aber das wolle eben keiner hören.

Ein bisschen Salzkammergut

Darum betreibt Martin lieber seine Milchrinderfarm, die sein Vater Werner gemeinsam mit Ehefrau Erika, einer Jugendfreundin von Werners Schwester und gleichfalls gebürtige Österreicherin, in einem Winkel Vermonts gründete. Seinem Beinamen als Green Mountain State wird der landwirtschaftlich geprägte Bundesstaat im Osten der USA hier um Waitsfield ganz besonders gerecht. Wohin man blickt, üppig grüne Hügel, dichte Wälder und saftige Wiesen; ein Anblick, der der lieblichen Landschaft des Salzkammerguts nicht ganz unähnlich ist. Nur Kühe sieht man hier kaum mehr unter freiem Himmel, die sind inzwischen für die industrielle Produktion in den Ställen verschwunden.

Deren Tomme-Käse "Oma" wird aus unpasteurisierter Biokuhmilch hergestellt.
Foto: Georges Desrues

Nur bei den von Trapps grasen sie nach wie vor auf der Weide. Als Martin und seine Frau Kelly die Farm der Eltern übernahmen, stellten sie auf biologische Viehzucht um. Ihr Sohn Sebastian war anfänglich nicht an Landwirtschaft interessiert, sondern arbeitete in der Computerbranche und reiste quer durch die USA. "Als meine Frau ein Kind erwartete, dachten meine Eltern gerade an Verkauf. Da beschloss ich, zu übernehmen und Käse zu erzeugen", erinnert sich der 35-Jährige. Die Rechnung ist aufgegangen.

Der singende Teil der Familie

Die hochwertigen Käse der von Trapps werden alle handwerklich und aus nichtpasteurisierter Biomilch hergestellt, können mit ihren europäischen Vorbildern durchaus mithalten und finden sich in den besten Delikatessengeschäften und Restaurants des Landes. Einer der Käse heißt "Oma", nach Sebastians Großmutter Erika. "Der Name ist aber so ziemlich das Einzige, was uns hier noch an Österreich bindet", sagt der Käsemacher.

Genau in dem Moment, als er sich verabschieden will, hält ein Mini-Van vor der Farm. Vier junge Leute steigen aus, Cousins aus Montana. "Sie nennen sich The von Trapps und sind die aktuelle Zusammensetzung des singenden Teils der Familie", erklärt Sebastian, "und vermutlich diejenigen, die diese Tradition am Leben erhalten." (Georges Desrues, Rondo, DER STANDARD, 27.3.2015)