Macrauchenia war ein äußerlich kamelähnliches Wesen, das über einen Rüssel verfügte.

Illustration: Peter Schouten, aus dem Buch "Biggest, Fiercest, Strangest"/ W. Norton Publishers

Das bis zu zwei Tonnen schwere Toxodon ähnelte eher einem modernen Nashorn. Beide Arten überlebten als einzige aus der Gruppe der Südamerikanischen Huftiere bis zum Ende der letzten Eiszeit.

Foto: Illustration: Peter Schouten, aus dem Buch "Biggest, Fiercest, Strangest"/ W. Norton Publishers

London/Wien - Für Charles Darwin, der als erster Forscher ihre Überreste sammelte, waren sie schlicht "die womöglich seltsamsten Tiere, die je entdeckt worden sind". Die Rede ist von den sogenannten Südamerikanischen Huftieren (Meridiungulata), die mit einer Vielzahl von Spezies Südamerika seit dem Paläozän vor 65 bis 56 Millionen Jahren bewohnten und deren letzte Vertreter erst vor rund 11.000 Jahren ausgestorben sein dürften.

Macrauchenia und Toxodon

Die wahrgenommene Seltsamkeit beruht ganz wesentlich darauf, dass diese Tiere vertrauten Spezies verblüffend ähnlich sahen - aber in einem oder zwei auffälligen Details abwichen und dadurch wie "Mischungen" verschiedener Spezies wirkten.

Die 1834 von Darwin entdeckte Art Macrauchenia zum Beispiel war etwa so groß wie ein Kamel und hatte auch eine vergleichbare Statur. Doch Nasenöffnungen auf der Schädeloberseite lassen vermuten, dass die Tiere ähnlich einem Tapir oder einer Saigaantilope kurze Rüssel besaßen.

Das schwerer gebaute Toxodon hingegen, das vermutlich semiaquatisch lebte, trug Züge sowohl eines Flusspferds als auch eines Nashorns. In beiden Fällen handelte es sich allerdings um Tiere, die an ihre jeweilige Umgebung angepasst waren und deren Ähnlichkeit zu Kamelen oder Flusspferden auf konvergenter Evolution beruhte - dem Ausbilden ähnlicher Körpermerkmale aufgrund ähnlicher Lebensbedingungen.

Zurück in der Zeit

Wie diese ausschließlich südamerikanische Fauna entstehen konnte und warum sie ausstarb, ist mittlerweile recht gut erforscht: Bis vor rund 2,5 Millionen Jahren, als sich der Isthmus von Panama schloss, war der südliche Teil des heutigen Doppelkontinents geografisch abgetrennt, was zur Evolution dieser hoch angepassten Tierwelt führte. Dann aber wanderten zahlreiche Tiergruppen ein, die bislang nur in Nordamerika beheimatet waren - mit fatalen Folgen für die bis dahin isolierte südamerikanische Fauna. Nur Toxodon und Macrauchenia überlebten bis zum Ende der Eiszeit.

Was dagegen bisher ungeklärt blieb, war ihre Einordnung im Stammbaum der modernen Säugetiere - wobei man bis zu dessen Wurzeln und damit bis ins Zeitalter der Dinosaurier zurückgehen muss. Die Hauptgruppe der heutigen Säugetiere - also abzüglich der Beutel- und der Kloakentiere - gliedert sich in vier Großgruppen, die sich bereits in der Kreidezeit voneinander getrennt haben dürften.

Ein Huf ist nichts Besonderes

Zwei davon kamen als Verwandtschaft der Südamerikanischen Huftiere in Betracht: Die Laurasiatheria, zu denen sowohl die Paarhufer (etwa Hornträger, Schweine und Kamele) als auch die Unpaarhufer (Pferde, Nashörner und Tapire) gehören. Und die Afrotheria mit den Elefanten, welche ebenfalls als "Huftiere" gelten.

"Huftier" drückt nämlich keine direkte Verwandtschaft aus, sondern bezeichnet nur eine anatomische Anpassung an eine auf Laufen ausgerichtete Lebensweise. Diese Anpassung vollzogen verschiedene Tiergruppen unabhängig voneinander - weswegen auch bei den Südamerikanischen Huftieren so lange diskutiert wurde, zu welcher Großgruppe sie gehören. Weder morphologische Untersuchungen noch Studien mit Erbgut lieferten in der Vergangenheit entscheidende Hinweise in der Frage, ob Pferde und Nashörner oder doch eher Elefanten die nächsten heute noch lebenden Verwandten sind.

Kollagen löst das Rätsel

Nun aber dürften Forscher um Ian Barnes vom Naturkundemuseum in London das Rätsel gelöst haben. In ihrer in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichten Studie analysierten die Wissenschafter das Protein Kollagen, das sie zuvor aus den Knochen von Fossilien gewonnen hatten.

Kollagen ist ein Struktureiweiß, das in unterschiedlichen Geweben des Körpers wie Knochen oder Bindegewebe vorkommt und wesentlich langsamer zerfällt als DNA und andere Eiweiße. Durch die Analyse des Kollagens aus 48 Knochenproben und den Vergleich seiner Proteinstruktur mit dem Kollagen heutiger Säuger konnten die Forscher beweisen, dass die nächsten heute noch lebenden Verwandten von Toxodon und Macrauchenia die Unpaarhufer sind, also Pferde und Nashörner.

Da sich die Methode als so erfolgreich erwies, wollen die Paläontologen in Zukunft auch andere Knochen-Eiweiße für ihre Untersuchungen heranziehen. (red/derStandard.at, 20.3.2015)