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Erstaufnahmezentrum Traiskirchen: Seit Mitte Februar dürfen dort auch wieder ganz offiziell neue Flüchtlinge einziehen.

Traiskirchen – Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen seien 1.300 Asylwerber untergebracht, dreimal mehr als die vereinbarten höchstens 480. Das sei für die Flüchtlinge und die lokale Bevölkerung "unzumutbar". So lautete die Kritik von Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) an den Zuständen in Österreichs größter Flüchtlingsunterkunft Ende Juni 2014.

Der erboste Landeschef stellte einen Aufnahmestopp in den Raum – einen Monat später, am 29. Juli, wurde er Wirklichkeit: Wegen "Gefahr in Verzug" untersagte die Bezirkshauptmannschaft Baden der im Erstaufnahmezentrum tätigen Betreuungsfirma ORS per gewerberechtlichen Bescheid, neu hinzukommende Asylwerber zu versorgen. Ein Schritt, der nun von derselben Behörde widerrufen wurde: "In der Zwischenzeit hat die Firma ORS ihr Sicherheitskonzept verbessert", begründet dies der Badener Bezirkshauptmann Heinz Zimper im Gespräch mit dem STANDARD.

"Ausreichendes Sicherheitskonzept"

Konkret hat die Bezirkshauptmannschaft Baden den Asylwerber-Aufnahmestopp am 10. Februar 2015 unter Hinweis auf ein "ausreichendes Sicherheitskonzept" wieder aufgehoben – der Bescheid liegt dem STANDARD vor. Die Umstände dieses Umdenkens erscheinen so manchem hinterfragenswert: An den Sicherheitsvorkehrungen in dem in weiten Teilen sanierten Lager habe sich seit dem Aufnahmestopp nichts geändert, beteuern Insider.

Tatsächlich hatten "Sicherheitsbedenken" und "sanitätsbehördliche Einwände" im Mittelpunkt des Aufnahmestopp-Bescheids gestanden. Mehreren Verfassungsjuristen war das schon damals hinterfragenswert erschienen, Volksanwalt Peter Fichtenbauer hatte das Behördenschreiben offiziell angefordert: Der Bescheid fuße auf einem Lokalaugenschein im Jahr 2012, also sei unverständlich, warum nicht sofort Maßnahmen getroffen worden seien, argumentierten sie.

Parallelstrukturen im Lager

In der Folge gingen acht Monate ins Land. Mangels anderer Quartiere sah sich das Innenministerium gezwungen, im Lager eine Parallel-Betreuungsstruktur aufzubauen, mit skurrilen Auswirkungen: Asylwerber, die vor dem Untersagungsbeschluss aufgenommen worden waren, wurden in dem von ORS bewirtschafteten Speisesaal verköstigt, später Hinzugekommene außerhalb.

Um die Parallelversorgung zu ermöglichen, musste das Ministerium über Leiharbeitsfirmen qualifiziertes Personal engagieren: Insider gehen von mehreren 100.000 Euro Zusatzkosten aus.

"Rechtlich unhaltbar"

Insgesamt nahm die Zahl in Traiskirchen Untergebrachter in diesem Zeitraum statt zu sinken zu. Mitte Februar 2014 lebten schließlich 1.700 Flüchtlinge im Lager – sodass der Aufnahmestopp für manche Beteiligte recht überraschend kam. "Wir sagten von Anfang an, dass der Aufnahmestopp rechtlich unhaltbar war", kommentiert dies Herbert Langthaler von der Asylkoordination. Aus dem Büro Prölls und Ortschef Bablers kam bis Redaktionsschluss keine Reaktion. (Irene Brickner, DER STANDARD, 17.3.2015)