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Fast 20 Millionen Kinder besuchen Schulen in Ägypten. Sie sind zahlreichen Gefahren ausgesetzt, warnen NGOs. Die Lehrer seien oft überfordert - und schlagen leider auch immer wieder zu.

Foto: EPA/Khaled Elfiqi

Ein verstörendes Video, das den Leiter eines Waisenhauses in Kairo zeigt, wie er mehrere kleine Kinder mit einem Stock traktiert, hat im vergangenen Herbst für empörte Reaktionen gesorgt. Das "Folter-Waisenhaus" wurde sofort geschlossen und der Mann zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Aufsichtsbehörden versprachen bessere Kontrollen. Körperliche Züchtigung ist ein trauriges, weitverbreitetes Phänomen an ägyptischen Schulen, das immer wieder für Schlagzeilen sorgt; Anfang März mit dem jüngsten Todesfall.

Diesmal schlug ein Lehrer an einer öffentlichen Schule einen Fünftklässler auf dem Pausenhof auf den Kopf. Der 12-Jährige verstarb wenige Tage später im Krankenhaus an einer Hirnblutung. Der Lehrer wurde suspendiert und in Polizeigewahrsam genommen. Es droht ihm eine Anklage wegen exzessiver Gewalt und Prügel, die zum Tode führten. Der Erziehungsminister, erst seit kurzem im Amt, verfügte die vorläufige Schließung der al-Shuhada-Schule im Kairoer Stadtteil Sayda Zeinab, um die "psychologische Gesundheit der Schüler" nicht zu gefährden. Er drohte, jeden Lehrer zu bestrafen, der im Klassenzimmer einen Stock bei sich habe.

Übergriffe haben zugenommen

Ein Mathematiklehrer, der 2008 in Alexandria einen Schüler mit Fußtritten in den Magen diszipliniert und getötet hatte, wurde damals wegen Mordes zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Seit 2008 verbietet ein Erlass des Ministeriums jede Form von Körperstrafen und physischen Übergriffen gegen Schüler. Ägypten hat auch zu den ersten 20 Ländern gehört, die die internationale Konvention zum Schutz der Kinder unterzeichnet hatten. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus, und in den letzten Jahren hat sich die Lage gar noch verschlimmert. Im vergangenen Dezember hatte der nationale Kinder- und Mütterrat mitgeteilt, die Übergriffe auf Kinder hätten zwischen Jänner und Oktober 2014 gegenüber dem Durchschnitt der drei Vorjahre um 55 Prozent zugenommen. Die Hälfte der Gewalttaten sei in Schulen registriert worden.

Lehrer berichten, dass das Klima in den Klassenzimmern nach der Revolution vom Frühjahr 2011 und in den darauffolgenden politisch unruhigen Jahren rauer geworden ist. Die Kinder seien angespannter, unaufmerksamer und aggressiver geworden. Schüler aus höheren Klassen haben Gewalt auf der Straße oft selbst miterlebt. Und auch aufseiten der Lehrer sei der Stress, bedingt durch eine politisch aufgeheizte Atmosphäre und die Wirtschaftskrise, deutlich gestiegen. Viele Klassenzimmer sind heillos überfüllt, die Lehrer schlecht bezahlt, viele deshalb unmotiviert und frustriert. Eine Aufsicht über die landesweit 1,5 Millionen Pädagogen gibt es kaum.

Unfälle mit dem Schulbus

Übergriffe und Misshandlungen sind aber nur ein Aspekt der ganzen Malaise der öffentlichen Schulen in Ägypten. Die Gefahren für die fast 20 Millionen Kinder lauern an ganz verschiedenen Orten, angefangen mit dem Schulweg, auf dem sich tödliche Unfälle mit Schulbussen in den letzten Monaten gehäuft haben. Die ägyptische Koalition für Kinderrechte (ECCR) zählt in jedem Schuljahr eine lange Liste von Rechtsverletzungen auf, die von Lebensmittelvergiftungen über Ansteckungsgefahr mit gefährlichen Viruskrankheiten über sexuelle Belästigung bis zur Gefährdung durch Baumängel an den 48.000 Schulen reichen. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 17.3.2015)