Zunehmend wichtig: Cosplay auf der Leipziger Buchmesse.

Foto: Leipziger Messe / Jens Schlüter

Leipzig - Es ist nicht gerade die Hölle, aber mit der Buchmesse in Turin ein nicht viel angenehmerer Ort, an den sich Jan Brandt in seinem italienischen Journal Tod in Turin schickt. Die ewige Wiederkehr der Messen, die Eitelkeiten und zuweilen Lächerlichkeiten eines Betriebs, der sich selbst sehr ernst nimmt, thematisiert auch Thomas Brussigs Das gibt's in keinem Russenfilm, in dem die Verlagswelt einem Irrenhaus gleicht.

Verrückt ist in dem Anti-Wende-Roman nicht nur die Branche, denn die DDR ist in Brussigs Versuchsanordnung 1989 nicht untergegangen. Auf Honecker folgt bei Brussig Krenz, auf Krenz Gisi und ein "Kapitalismus unter der Führung der Partei". Das gibt's in keinem Russenfilm ist eines der Bücher, das an der Leipziger Buchmesse - mit ihren Themenschwerpunkten 25 Jahre Deutsche Einheit und 50 Jahre Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel - viel Aufsehen generierte.

Auch im Buchmarkt wird denen Aufmerksamkeit gegeben, die sie schon haben. Vor dem Blauen Sofa des ZDF in der Glashalle der Messe, wo Ziegler, Grass und Zizek über ihre Bücher reden, stauen sich Menschenmassen, während eine Halle weiter ein Autor ins Leere deklamiert. Trotzdem hat man es durch "Leipzig liest" geschafft, mit 3000 Literaturveranstaltungen, u. a. in Apotheken, im Kaufhof oder am Südfriedhof, vier Tage lang gut besuchte Lesungen auch unbekannter Autoren in der Stadt zu etablieren. Dazu stürmt jede Menge junges, als Assassinen, Maskenfrauen und Zauberer verkleidetes Publikum die in die Messe integrierte Manga-Comic-Convention.

Und das Buch? Die Branche verweist auf ein herausforderndes Marktumfeld. Man hofft auf gute Frühjahrskonjunktur - und auf Bestseller, von denen die großen Verlage abhängiger sind als je zuvor. Gelassener betrachtet man hingegen E-Books und Selfpublishing. So sieht der Netz-Theoretiker Sascha Lobo, der 2014 die E-Book-Plattform Sobooks (Social Books) gründete, bei einer Podiumsdiskussion das Elektrobuch in einer "neandertalerhaften Sackgasse" gefangen. Dies nicht nur durch die höheren Mehrwertsteuersätze, die für E-Books, nicht aber für gedruckte Bücher gelten. "Print only", meinen sowieso viele, sei von gestern, "prigital" lautet das neue Schlagwort. Es soll dabei um "Content und Kontext" statt Print und um verstärkte Leser-Partizipation gehen.

Ein großes Messethema waren auch die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Befürchtet wird, dass die Buchpreisbindung auf dem Altar des freien Marktes geopfert wird. Dazu hatte Adj Farjon, Pressesprecherin der israelischen Botschaft Interessantes zu berichten: In Israel, so Farjon, habe sich mittlerweile 90 Prozent des Buchhandels auf zwei große Handelsketten konzentriert, die gegenüber den Verlagen die Preise diktieren können. 2014 habe daher die Regierung erstmals eine Buchpreisbindung eingeführt, die den Verkaufspreis für Neuerscheinungen für 18 Monate festlegt. Offenbar zu spät, denn die rabattgewohnten Leser zogen nicht mit, die Anzahl verkaufter Bücher sank um 60 Prozent. (Stefan Gmünder, DER STANDARD, 16.3.2015)