Ruth Root arbeitet mit Email- und Sprühfarbe auf Acrylglas und kombiniert mit selbstdesignten Textilelementen: Ohne Titel (2014).

Foto: Ruth Root / Galerie Nikolaus Ruzicska

Vielleicht hatte der eine oder andere in Gedanken schon mit dem Falten begonnen: Hatte, entlang der großen gelben Fläche, die weißen, abgerundeten Laschen nach hinten gebogen, die Kanten ordentlich gefalzt und sich währenddessen schon den nächsten Knick überlegt. Schnittbögen für kleine bunte, irgendwie mondrianeske Kartonboxen, das war das Erste, was einem beim Betrachten der etwa zwischen 2006 und 2009 entstandenen grellbunten, leuchtenden Farbfeldmalereien Ruth Roots eingefallen ist. Das mit dem Falten wäre in der Realität freilich etwas schwierig geworden - nicht nur der Dimensionen ihrer konkreten Malereien wegen, sondern insbesondere wegen des Bildträgers: Aluminium.

In den neueren, derzeit in der Galerie Nikolaus Ruzicska in Salzburg präsentierten Arbeiten der Künstlerin (geb. 1967, lebt in New York) ist der Knick bereits enthalten - obwohl es ja vielmehr ein Umschlingen ist: Textilflächen fädeln sich in Schlitze der Bilder, verhalten sich zu ihnen wie ein Henkel zu einer Tasche. Und tatsächlich wird das Bild (nun auf Acrylglas) auch am Stoffteil aufgehängt. Wertigkeit - nach dem Motto "Master and Servant" - ergibt sich zwischen den beiden Bildteilen durch diese Geste des Haltens jedoch nicht. Eher hat man sich verschwistert, hat sich die eine quasi bei der anderen untergehakt: Man ist Kompositionsteam, ja zweiteiliges Werk geworden.

Wand als Teil der Leinwand

Der klassischen Farbfeldmalerei (Color-Field-Painting) mit ihren großflächigen und homogen gefüllten Farbfeldern, für die Mark Rothko, Barnett Newman und Clyfford Still Vorreiter gewesen waren, entzieht sich Root damit mehr und mehr. Allein schon mit den polygonen Umrissen ihrer Bilder, mit manch abgerundeter Ecke, emanzipiert sie sich von der klassisch rechteckigen Leinwand. Vielmehr wird die (weiße) Wand zum Rahmen, zur Negativform ihrer Kompositionen.

Die strengen geometrischen Farbfelder schien Root immer auflockern, ihnen Leben einhauchen zu wollen - oder Rauch: 1999 schob sich tatsächlich eine (gemalte) qualmende Zigarette zwischen die bunten Blöcke, so als klemmten sich diese den Tschick zwischen die Lippen. Die schnurgeraden Geometrien weichte Root auf, schuf den Eindruck zurückweichender Linien, so als wäre hier Schaumstoff oder Textil im Spiel. Es ist ein ironisch-augenzwinkernder Umgang mit den eigenen Referenzen auf die Moderne; ihn zeichnet aber ebenso - wie die aufgemalten Augen - eine liebenswerte Verspieltheit aus, diese rückt ihre Arbeiten in die Nähe der zarten Objektkompositionen Richard Tuttles.

"Farbe wird von ihrem sachlichen Kontext befreit und wird selbst zum Subjekt", heißt es über das Color-Field-Painting. Somit ist klar, dass das Etikett für Roots Werk nicht so wirklich passt, "Farbfeldmalerei" nur Hilfsbegriff sein kann. Denn obwohl augenscheinlich gegenständliche Zitate verschwunden sind, rufen nun - trotz klarer Abstraktion - die mit Mustern akzentuierten Flächen Assoziationen zu Alltäglichem wach: Man denkt an die gedeckteren Farben von Eiscreme, an Elchgeweihe und Hasenohren, Kleider in Klimtgemälden, Obst oder Kinderspielzeug.

Roots konkrete Malerei flirtet mit der Dingwelt. Sie geht fremd. Wird leger. Verliert die Strenge der Monochromie, ihre Akkuratesse: Adieu, allzu scharfe Kanten, adieu, unversehrte Formen. Hallo, unvollkommenes Leben. Roots Laune machende Geplänkel sind ab 14. Mai auch Teil der Schau New York Painting im Kunstmuseum Bonn. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 14.3.2015)