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Wladimir Putin in Marineuniform auf einem Plakat in Sewastopol unter der Überschrift: "Willkommen im Heimathafen!"

Foto: AP / Alexander Zemlianichenko

Simferopol/Moskau – Es ist wieder Frühling auf der Krim. Die Mandelbäume blühen weiß und rosa, doch die Euphorie des Vorjahres ist bei vielen Bewohnern verflogen. Offiziellen Umfragen zufolge sehen immer noch 91 Prozent der Bewohner den Anschluss an Russland positiv. Das sei vergleichbar mit dem Ergebnis aus dem Sommer 2014 (93 Prozent), sagte der Leiter des russischen Umfrageinstituts WZIOM, Waleri Fjodorow. Vor allem die Pensionisten sind zufrieden. Ihre Pensionen sind seit dem Anschluss deutlich gestiegen. "Ungeachtet aller Schwierigkeiten sind wir sehr froh über unsere Rückkehr in die Heimat", sagt etwa Nina Paderina aus Simferopol.

Doch der erhoffte Aufschwung ist ausgeblieben. Steigende Preise und wirtschaftliche Probleme kritisieren selbst ausgemachte Unterstützer des "Russischen Frühlings" 2014: "Ich habe nicht bemerkt, dass den regionalen Unternehmern grünes Licht gegeben wurde, ohne Papierkrieg und Instanzen-Korridore", schrieb der Chefredakteur der ultrapatriotischen und monarchistisch an gehauchten Nachrichtenagentur Nascha Derschawa, Alexej Wassiljew. Stattdessen werde in den Medien immer nur von einer Freihandels- und Glücksspielzone geredet, deren Einnahmen wohl kaum dem Volk zugutekämen.

Nicht nur Oligarchen

Bürokratie und Korruption haben nicht abgenommen. Teilweise wurden Unternehmer sogar enteignet. Unter dem Schlagwort der Oligarchenbekämpfung wechselten offiziell rund 500 Betriebe ihren Besitzer; inoffiziell sind es weit mehr: Telefongesellschaften, Gas- und Stromversorger, ein Kinostudio, Brotfabriken, aber auch Sanatorien, kleine Märkte und Farmen. Dabei traf es längst nicht nur umstrittene Milliardäre wie Igor Kolomoiski, Dmytro Firtasch oder Rinat Achmetow.

"Nationalisierung" nennt das die moskautreue Führung unter Premier Sergej Aksjonow. Der 42-Jährige hat laut Medienberichten unter dem Spitznamen "Goblin" in den 1990er-Jahren reichlich Erfahrung mit dem Schröpfen von Unternehmen gesammelt: Als Schutzgelderpresser soll er da unterwegs gewesen sein, so die Vorwürfe. Nun kassieren die "höflichen grünen Menschlein" die Unternehmen gleich ganz ein. Nach Schätzungen wurden Werte von gut einer Milliarde Dollar vereinnahmt; meist ohne Entschädigung für die Besitzer.

Zu den Verlierern zählen auch die Krimtataren. Sie beklagen Willkürakte und Gewalttaten – oft ohne Aufklärung, so wie im Fall Reschat Ametow. Der 39-Jährige hatte im März 2014 in Simferopol vor dem von Bewaffneten besetzten Parlamentsgebäude gegen die russische Intervention auf der Krim protestiert, als Uniformierte ihn abführten. Zehn Tage später wurde seine Leiche auf einem Feld östlich der Stadt gefunden. Der Krimtatar war vor seiner Ermordung gefoltert worden, die Füße waren gefesselt, der Kopf mit Klebeband umwickelt.

Nicht mehr heimisch

Nun, ein Jahr später, teilten die Behörden den Angehörigen in einem Brief mit, dass der Fall zu den Akten gelegt worden sei. "Die Täter sind unbekannt. Die Männer, die Reschat am Lenin-Platz abgeführt haben, wurden befragt. Sie kamen jeder mit einem Anwalt und wurden wieder freigelassen", sagt die Witwe Sarina Ametowa.

"Die Krim wird immer russisch sein, aber auch ukrainisch und krimtatarisch", hatte Russlands Präsident Wladimir Putin beim Anschluss versprochen. Viele Krimtataren zumindest fühlen sich nicht mehr zu Hause dort. Der Sowjetdissident und langjährige Anführer der Krimtataren Mustafa Dschemiljew, von Russland mit einem Einreiseverbot belegt, spricht vom zweiten Verlust der Heimat, nachdem das Volk 1944 schon einmal deportiert wurde.

Die Schikanen richten sich speziell gegen die Führung der Krimtataren, die offen gegen die Annexion protestiert hat. So wurden neben Dschemiljew mehrere Angehörige der Nationalversammlung Medschlis, unter ihnen auch Vorsitzender Refat Tschubarow, entweder ausgewiesen oder strafrechtlich verfolgt. Die Repressionen haben zu einem Exodus geführt. Während die Krim-Regierung die Abwanderung auf etwa 500 Menschen beziffert, haben nach Angaben Tschubarows 7000 bis 8000 Krimtataren inzwischen die Halbinsel verlassen. (André Ballin, DER STANDARD, 13.3.2015)