Die Grundzüge der Steuerreform 2015, die SPÖ und ÖVP am Donnerstagabend präsentieren wollen, stehen bereits fest: Die Belastung durch die Einkommensteuer wird um rund fünf Milliarden Euro reduziert, indem einige Tarife gesenkt und einige Grenzen erhöht werden. Aber wie schon bei den letzten Steuerreformen in den Jahren 2000, 2005 und 2009 bleibt die Struktur des österreichischen Steuersystems mit allen seinen Schwächen unangetastet.

Weder wird das Missverhältnis zwischen der Belastung von Arbeit und Vermögen verändert noch die hunderten oft sinnlosen Ausnahmen von der Einkommensteuer – vom Haustrunk bis zu den steuerfreien Überstunden – abgeschafft. Das Steuerrecht bleibt unübersichtlich, komplex und ungerecht.

Daran haben das Hypo-Desaster und die schwache Konjunktur keine Schuld. Das liegt allein an der Dynamik in der Koalition. SPÖ und ÖVP sind zu positiven Tauschgeschäften, bei denen sie beide unangenehme Zugeständnisse im gemeinsamen Interesse machen, nicht fähig. Stattdessen blocken beide alles ab, was ihrer Klientel wehtun könnte. Am Ende wurde fast alles, was Experten empfohlen haben, ausgeräumt. Zurück blieben leere Regale von vergebenen Chancen.

Was alles nicht geht

Das betrifft vor allem alle seriösen Formen der Gegenfinanzierung einer Tarifsenkung. Höhere Steuern auf Vermögen will die ÖVP nicht, einen Verzicht auf Ausnahmen verweigert die SPÖ. Eine Anhebung der viel zu niedrigen Grundsteuer wird von ÖVP (Bauern) und SPÖ (Gemeinde Wien und Mieter) abgewehrt. Auch eine höhere Mineralölsteuer und andere Formen der Ökosteuern, die Österreichs magere Klimabilanz verbessern könnten, scheitern am Widerstand beider Parteien.

Die Steuerentlastung wird nur durch vage Versprechen über Betrugsbekämpfung und zukünftige Einsparungen gegenfinanziert. Das bedeutet, dass zumindest ein oder zwei Jahre lang das Budgetdefizit steigen statt sinken wird.

Höheres Defizit und Sparpaket

Österreich verstößt damit zwar gegen die europäischen Vorgaben, dürfte aber politisch eine Zeitlang durchgehen, weil es andere EU-Staaten genauso tun. Wenn es nicht mehr geht, droht ein neues Sparpaket, für das man dann Brüssel verantwortlich machen kann.

Dabei gilt die jetzige Senkung der Einkommensteuer, so großzügig sie auch klingt, nicht einmal die gesamte kalte Progression der vergangenen Jahre ab. Und weil auch in Zukunft nichts gegen diese heimliche Inflationssteuer getan wird, werden wir in einigen Jahren das gleiche Schauspiel wieder erleben: Klagen über die steigende Belastung und die schrumpfende Kaufkraft, Versprechungen der Regierungsparteien eines diesmal wirklich großen Wurfs, kluge Vorschläge der Experten, mühsame, oft bittere Verhandlungen und schließlich eine weitere Reform, die bloß die Steuerbelastung zurück auf das Niveau führt, auf dem sie schon einmal war.

Einfaches Steuersystem bringt Wachstum

All das wurde von Beobachtern vorausgesagt und ist dennoch zutiefst enttäuschend. Denn ein einfaches, transparentes und faires Steuersystem würde genauso viele Einnahmen bringen wie unser undurchschaubarer Dschungel an Vorschriften und Ausnahmen. Aber es würde weniger wirtschaftliche Vorgänge verzerren, es wäre billiger zu verwalten, und es würde dadurch mehr Wachstum bringen.

Die Chance auf eine echte Steuerreform wird wieder einmal vergeben. (Eric Frey, derStandard.at, 12.3.2015)