Mit Erstaunen durften wir dieser Tage zur Kenntnis nehmen, dass eine ausgestorben geglaubte Form der politischen Kommunikation fröhliche Urständ feiert: der Racheschwur. Seine Exhumierung verdanken wir dem niederösterreichischen Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka. Dessen gegen Hans Jörg Schelling gerichtete Drohung "bei Philippi sehen wir uns wieder" zeugt zum einen von vorbildlicher humanistischer Bildung, zum anderen von einer selbst für heimische Verhältnisse rekordverdächtigen Unverschämtheit.

Anlass des verbalen Amoklaufs war die Tatsache, dass der Finanzminister die Bundesländer vom bevorstehenden Hypo-Zahlungsstopp nicht vorab informiert hat. Dies tat er allerdings aus gutem Grund, nämlich um das strafbare Delikt der Gläubigerbevorzugung zu vermeiden. Dass ein Sobotka über solche juristische Spitzfindigkeiten erhaben ist, hat er schon bei seinen gleichermaßen intransparenten wie erfolglosen Spekulationsversuchen mit Wohnbaudarlehen bewiesen. So gesehen müsste sich Schelling über die harschen Worte des gelernten Musiklehrers, dessen fachliche Kompetenz ihn eher zum Fachinspektor für Blockflöte und Kleine Trommel prädestiniert, nicht wirklich kränken.

Ein gänzliches Ignorieren erscheint jedoch auch nicht ratsam, gilt Sobotka doch als Mitglied des innersten, nicht unbedingt von Sympathieträgern überlasteten Kreises um Erwin Pröll. Der Landeshauptmann sollte also rasch besänftigt werden, und dabei könnte just der von den Bundesländern mittels Einbehaltung von Rundfunkgebühren gegängelte ORF helfen. Der plant nämlich ernsthaft einen "Österreich-Flash", ein neues Bundesländerformat vor der ZiB 2 (geschätzte Kosten pro Jahr: zwei Millionen Euro). Damit kann nun endlich auch die Abendgestaltung der Landeshauptleute brandaktuell gewürdigt werden.

Und sogar für den Fall, dass diese sich einmal nicht unter ihr dankbares Landesvolk mischen, könnte vorgesorgt werden, erwägt der ORF doch die Übernahme der aus Skandinavien kommenden Idee des "Slow TV". Während in Norwegen brütende Vögel und Pullover strickende Menschen gezeigt werden, könnte eine österreichische Variante dieses "entschleunigten Fernsehens" sich ganz auf die nicht von konkreten Anlässen abhängige Abbildung der Landeshauptmänner konzentrieren.

Selbst das umgekehrte Problem, eine terminliche Überforderung durch Gleichzeitigkeit diverser Abendveranstaltungen – das sogenannte "Zwei Kirtage, ein Hintern"-Dilemma – scheint lösbar. Wie das geht, demonstrieren die Niederösterreichischen Nachrichten auf Seite 41 ihrer St.-Pölten-Ausgabe 07/2015. Dort kann man gleich auf fünf Fotos von Preisverleihungen Erwin Pröll bewundern. Faszinierenderweise hat er auf allen Bildern nicht nur den exakt gleichen Gesichtsausdruck, sondern auch eine bis zur letzten Anzugsfalte millimetergenau identische Körperhaltung. Und ein auf allen Fotos rätselhaft wirkender Schatten neben seinem Antlitz legt die Vermutung nahe, dass hier per Nachbearbeitung eine in der Realität nicht gegebene Präsenz des Landesfürsten inszeniert wurde.

Egal also, ob in den Aussagen eines Finanzlandesrates oder auf den Fotos der NÖN: Der Geist des Erwin weht, wo er will. (Florian Scheuba, DER STANDARD, 12.3.2015)