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Bereits jetzt gelten für Frauen im Iran strengere Gesetze als für Männer. Menschenrechtler sind besorgt über eine Verschärfung.

Foto: EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Teheran/Wien - Die Vorgabe ist klar: Die iranischen Behörden sollen die Einwohnerzahl des Landes von derzeit 78,6 Millionen auf 150 oder 200 Millionen Menschen erhöhen. Das erklärte der oberste religiöse Führer, Ali Khamenei, in einer Fernsehansprache im Jahr 2012. Nun folgt die iranische Regierung seinem Ruf. Zwei Gesetzesvorlagen sollen den Trend der seit den 1980er-Jahren stetig sinkenden Geburtenrate umkehren - die Rechte der Frauen würden dabei weiter eingeschränkt.

Geplant sind eine Einschränkung oder gar ein Verbot von Verhütungsmethoden sowie eine Diskriminierung von kinderlosen Frauen am Arbeitsmarkt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International veröffentlichte diese Woche einen Bericht zu diesem Thema. Raha Bahreini, Iran-Expertin der NGO, sieht durch die Entwürfe die Frauen zu "Gebärmaschinen" reduziert, wie sie im STANDARD-Gespräch erklärt.

Der Gesetzesentwurf, der die Verhütung betrifft, kann laut Bahreini jederzeit in Kraft treten. Mit dem Gesetz wird nicht nur die freiwillige Sterilisation - die zweithäufigste Verhütungsmethode bei iranischen Frauen - verboten, sondern auch die Information über Verhütungsmethoden gänzlich untersagt. Bereits 2012 wurde das staatliche Familienplanungsprogramm, das Kondome und Sterilisationen subventionierte, ersatzlos gestrichen.

Gang in die Illegalität

Bahreini zufolge zeigen internationale Studien, dass diese Maßnahmen grundsätzlich nicht zu mehr Geburten führen. "Und selbst wenn die Geburtenrate in diesem Fall steigt, rechtfertigt dies nicht die massive Beschneidung der Rechte der Frauen", sagt die Amnesty-Expertin, die außerdem auf Nebeneffekte aufmerksam macht: "Die Müttersterblichkeit wird steigen, da sich mehr Frauen illegalen und unsauberen Abtreibungen unterziehen werden." Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO starben im Jahr 2008 bei weltweit 21,6 Millionen illegalen Abtreibungen etwa 47.000 Frauen. Zudem sind danach bei fünf Millionen Frauen Behinderungen aufgetreten.

Über den zweiten Gesetzesentwurf, der Menschenrechtlern Sorgen bereitet, wird ab April wieder im Parlament diskutiert. Darin enthalten ist unter anderem die Bevorzugung von Männern mit Kindern, Männern ohne Kinder und Frauen mit Kindern bei Bewerbungsgesprächen - und zwar in genau dieser Reihenfolge. "Kinderlose Frauen hätten keine Chance mehr am Arbeitsmarkt", sagt Bahreini. Bereits jetzt nehmen nur 17 Prozent der Frauen am Arbeitsmarkt teil. Darin enthalten sind auch jene Frauen, die auf der Suche nach Arbeit sind.

Scheidungen sollen Frauen durch den zweiten Gesetzesentwurf ebenfalls schwerer gemacht werden. "Dadurch werden mehr Frauen in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten", sagt die Iran-Expertin: "Mit diesen Entwürfen kommen die iranischen Behörden der Kontrolle über weibliche Körper einen Schritt näher." (Bianca Blei, DER STANDARD, 12.3.2015)