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Im Blog "Familie anderswo" bieten wir Eltern eine Plattform, Ihre Erfahrungen auszutauschen. Diesmal kommt eine Mutter mit Familie in Frankreich zu Wort.

Foto: apa/Patrick Pleul

Der Schwangerschaftstest zeigte "positiv" an. Nicht sehr verwunderlich, ich hatte schon die ganze vergangene Woche gespürt, dass da nichts mehr kommen würde. Mir gingen die Worte meiner Freundin durch den Kopf: "Wenn du in einem Pariser Krankenhaus entbinden willst, dann musst du dich schon bei Ausbleiben der Regel anmelden."

Nun ja, ob dieser Tipp zu übertrieben war, weiß ich nicht. Sicher ist, dass in Paris jährlich 30.000 Neugeborene auf die Welt kommen und die Plätze rar sind. So passierte es einer österreichischen Freundin im Pariser Spital St. Antoine, dass beim Einsetzen ihrer Wehen kein Spitalsbett frei war und ihr ein mobiles Bett in einem Abstellraum angeboten wurde.

Geburtsort als Statussymbol

Ich persönlich hatte nicht unbedingt den Wunsch, in Paris zu gebären. Für viele Franzosen ist das aber sehr wichtig, da der Geburtsort als lebenslanges Merkmal im Personalausweis eingetragen und somit zur Statusfrage wird. Ich entschied mich für eine Privatklinik in einem Vorort östlich von Paris. Eine im Nachhinein gute Entscheidung: kompetentes und freundliches Personal, Sauberkeit und Platz, eines der begehrtesten Güter in der Region. Die vier Tage in der Klinik lag ich in einem Einzelzimmer, ohne es extra gebucht zu haben.

Das Gesundheitssystem in Frankreich würde ich als mittelmäßig beschreiben. Prinzipiell werden Arztbesuche von der Krankenkasse zu 70 Prozent rückerstattet. Für die restlichen 30 Prozent kommen Privatversicherungen, sogenannte Mutuelles auf, die monatlich zwischen 25 und 60 Euro kosten. Viele Fachärzte dürfen höhere Tarife verlangen – da kann dann beispielsweise ein Kinderarztbesuch das Vierfache des Basishonorars betragen.

Gesundheitswesen im Vergleich zu Österreich

Dennoch sind die meisten Franzosen sehr stolz auf ihr Gesundheitswesen und meinen, das Beste in Europa zu haben – das wird auch immer wieder laut öffentlich in Radio und Fernsehen betont. Wenn man es mit Österreich vergleicht, schneidet das Hexagon schlechter ab und kann mit Leistungen wie Krankenstandsgeld ab dem ersten Tag, vollständige Rückerstattung der Arztkosten, geringere Wartezeiten für Spezialuntersuchungen oder ein breites Netz an Gesundheitseinrichtungen nicht mithalten.

Arzthonorare kann man hier aushandeln

Zudem ist das französische System sehr traditionell, nach dem Schema: Symptomklärung –Medikamentengabe, ausgerichtet. Alternativmedizin muss man suchen. Meine Suche nach einer ganzheitlichen Gynäkologin blieb bisher erfolglos. Erstaunlich, aber wahr. Viele Arzthonorare für chirurgische Eingriffe oder Zahnersatz kann man hier aushandeln. Auf Anraten eines Kollegen konnte ich im Rahmen des Kaiserschnitts erstaunlicherweise ein Viertel des genannten Ausgangshonorars aushandeln.

Die Qual der Wahl

Einmal auf der Welt, drohte die Zeit mit unserer Tochter schon knapp zu werden. Der Mutterschutz ist in Frankreich auf 12 Wochen begrenzt. Es ist in der Pariser Region die Regel, das Baby mit zweieinhalb Monaten betreuen zu lassen. Dafür stehen auch eine Reihe von Einrichtungen zur Verfügung. Mehrere Kinderkrippen pro Gemeinde, ein breites Netz an staatlich zertifizierten Tagesmüttern und zahlreiche Privatbetreuer, sogenannte Nounous, die das Kind in seiner gewohnten Umgebung zu Hause umsorgen. Der Staat unterstützt mit Beihilfen und Steuerabsetzbarkeit.

Zehn Monate Karenz

Ich habe mich dann allerdings für eine Karenz bis zum Alter von zehn Monaten entschieden, bis dahin bekommt man auch noch eine geringe staatliche Beihilfe. Seitdem arbeite ich Teilzeit in meiner Firma. Natürlich muss man sich etwas einschränken, wenn man nur mehr die Hälfte seines Gehalts zur Verfügung hat, aber es ist möglich und ich finde, dass es sich auszahlt.

Erst kürzlich traf ich eine Nachbarin am Gang, der ich sagte, dass ich jetzt wieder halbtags in meiner Firma arbeite. Sie machte ein bestürztes Gesicht und fragte mich entsetzt: Ja wie könnt ihr euch denn das leisten? (Judith Hejda, derStandard.at, 12.3.2015)