Das Energiemodell der Zukunft verbindet konventionell erzeugten Strom mit Photovoltaik und Windkraft. Voraussetzung dafür sind intelligente Steuerungssysteme.

Illustration: AIT

Salzburg - Was in der kleinen Salzburger Gemeinde Köstendorf funktioniere, müsse für Südspanien und eine Region mit 100.000 Einwohnern adaptiert werden. Wolfgang Hribernik, Leiter des Forschungsbereichs elektrische Energiesysteme am Austrian Institute of Technology (AIT), arbeitet daher mit seinem Team im Rahmen europäischer Forschungsprojekte an Methoden für "einen großflächigen Rollout" der Smart-Grid-Technologien.

Basis dieser Smart-Grid-Überlegungen, die vergangene Woche in Salzburg vorgestellt wurden, ist die Erkenntnis, dass die Umstellung auf ein regeneratives Energiesystem mehr ist als der Ersatz fossiler Energieträger durch Fotovoltaik, Kleinwasserkraft oder Windenergie. Die technische Herausforderung liegt dabei in der Einbindung unzähliger kleiner dezentraler Erzeuger mit wetterabhängiger Produktion. Energie erzeugt wird nämlich nur, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht.

Daten der Wetterprognosen

In der mit 130 Wohneinheiten vergleichsweise kleinen Modellsiedlung Rosa Zukunft in der Stadt Salzburg rechnet beispielsweise die von Siemens entwickelte Steuerungssoftware - ein Prototyp für die Seestadt Aspern in Wien - die Daten der Wetterprognose ein und steuert so die jeweiligen Erzeugereinheiten an.

Dazu kommen Fragen nach der Speicherung der Energie und nach neuen Verbrauchergruppen wie beispielsweise den Elektrofahrzeugen. In der Siedlung Rosa Zukunft übernimmt ein 18 Meter hoher Warmwassertank mit einem Fassungsvermögen von rund 90.000 Litern das Speichern.

Beim Laden von Fahrzeugen wiederum reicht es nicht, nur über die Stromkosten regulierend einzugreifen. Das führt erfahrungsgemäß zu hohen Gleichzeitigkeiten. Intelligent gesteuerte Ladezeiten hingegen reduzieren die Lastspitzen, ohne die Mobilität einzuschränken. Den Stromnetzen kommt dabei als Bindeglied zwischen den verschiedenen Akteuren zentrale Bedeutung zu. Die Erfahrungen der kleinen Modellprojekte in Salzburg sind jedenfalls vielversprechend.

"Es ist möglich, auf erneuerbare Energie zu setzen und trotzdem eine stabile Stromversorgung zu gewährleisten", sagt Michael Strebl, Geschäftsführer der Salzburg Netz GmbH, die gemeinsam mit dem AIT und weiteren Partnerunternehmen das Pilotprojekt im Flachgauer Köstendorf betreibt.

Strebl und Hribernik gehen außerdem davon aus, dass der Einbau und Einsatz von Steuerungstechniken um bis zu 50 Prozent billiger sein könne als ein konventioneller Netzausbau.

Einspeisen ins Regelnetz

Auf der nächsthöheren Stufe werden die Anforderungen in Sachen Spannungsstabilität und Speicherung freilich wesentlich komplexer. Hribernik und sein Team versuchen derzeit in Simulationsstudien zu berechnen, wie man über ein lokales Abpuffern von Überproduktionen hinaus - etwa durch Batterien oder durch das Speichern von Warmwasser - Poollösungen schaffen kann, die dann auch den Regelenergiemarkt bedienen. Zu diesen und ähnlichen Fragestellungen könnten im Rahmen gesamteuropäischer Forschungsprojekte in ein bis zwei Jahren Ergebnisse vorliegen.

Das Einspeisen in den Regelenergiemarkt könnte über Speicher auf Ebene der Ortsnetztrafos im Bereich der Mittelspannung erfolgen. Die Frage laute letztlich, welche Information in Bezug auf Produktion und Verbrauch von der Nieder- in die Mittel- und Hochspannungsebene überführt werden müsse, ergänzt Brigitte Bach, Chefin des gesamten Energie-Departements am AIT im STANDARD-Gespräch.

Im Bereich des Verbrauchermanagements sieht Bach jedenfalls bei Gewerbeobjekten (Stichwort: Klimaanlagen) und bei Industrieanlagen die größten Möglichkeiten. Die Industriekunden böten aufgrund ihres hohen Gesamtverbrauches das höchste Potenzial für Verschiebungen, mittels deren Stromproduktionsspitzen und -täler ausgeglichen werden könnten. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 11.3.2015)