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Kinder, die nie lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, neigen später eher zu Narzissmus.

Foto: AP/Silvia Izquierdo

Amsterdam/Wien - Sie fühlen sich anderen überlegen und erwarten stets eine Sonderbehandlung: Immer mehr Kinder in westlichen Ländern seien krankhaft selbstverliebt, schreiben Wissenschafter um Eddie Brummelman von der Universität Amsterdam. In einer Studie im Fachblatt "PNAS" untersuchten sie die Ursache von Narzissmus - und fanden sie bei den Eltern.

Mütter und Väter, die ihre Kinder überhöhen und ihnen dadurch vermitteln, sie seien besser als andere, fördern demnach die Entwicklung narzisstischer Persönlichkeitsstörungen. Die Psychologen und Erziehungswissenschafter befragten insgesamt 565 niederländische Kinder zwischen sieben und elf Jahren sowie deren Eltern über zwei Jahre lang alle sechs Monate.

Verstärkende Frustration

Die Charaktere jener Heranwachsenden, deren Eltern angaben, ihr Nachwuchs sei "besonderer als andere Kinder" oder "verdiene im Leben etwas Außergewöhnliches", wiesen narzisstischere Züge auf als andere: Sie besaßen wenig Einfühlungsvermögen und reagierten überempfindlich auf Kritik. "Kinder glauben ihren Eltern, wenn diese ihnen sagen, sie seien besser als andere", so Ko-Autor Brad Bushman von der Ohio State University in Columbus.

Dies sei sowohl für sie selbst als auch für die Gesellschaft, in der sie leben, problematisch, so der Forscher. Kinder, die nie gelernt hätten, ihre eigenen Bedürfnisse auch einmal zurückzustellen, hätten häufig schon sehr früh Schwierigkeiten in ihrem außerfamiliären Umfeld. Daraus resultierende Frustration könne das Problem weiter verstärken.

Niedriges Selbstwertgefühl

Narzisstische Persönlichkeitszüge seien insgesamt also eher ein Resultat von übertriebener elterlicher Zuwendung - und nicht von zu wenig. Dies stütze die soziale Lerntheorie und widerspreche dem psychoanalytischen Ansatz, so Brummelman und Kollegen.

Narzissmus sei allerdings nicht mit einem hohen Selbstwertgefühl zu verwechseln, warnen die Forscher. Eltern, die ihre Kinder mit viel emotionaler Wärme behandelten, stärkten das Selbstwertgefühl. "Menschen mit hohem Selbstwertgefühl sehen sich auf Augenhöhe mit anderen, während Narzissten denken, sie würden darüberstehen", so Bushman.

Autoritärere Männer

Geht es nach einer von US-Forschern kürzlich im "Psychological Bulletin" veröffentlichten Metastudie, sind Männer übrigens weitaus häufiger von Narzissmuss betroffen als Frauen - und das durch alle Altersstufen hindurch. Die Wissenschafter um Emily Grijalva von der University at Buffalo im Bundesstaat New York analysierten Daten von insgesamt 475.000 Teilnehmern an unterschiedlichen Studien zum Thema Narzissmus aus drei Jahrzehnten.

Die Auswertung habe gezeigt, dass Männer eher dazu neigen würden, Privilegien in Anspruch zu nehmen und auch auf Kosten anderer einzufordern. Auch autoritäres Denken und Machtstreben sei unter Männern stärker verbreitet. "Hingegen fanden wir keine Unterschied im exhibitionistischen Verhalten, beide Geschlechter sind gleich eitel und ichbezogen", so Grijalva.

Stereotype Rollenbilder

Als mögliche Ursache vermuten die Forscher stereotype Geschlechterrollen, die nach wie vor in vielen Familien und Gesellschaften fest verankert seien. "Frauen werden stärker dafür kritisiert, aggressiv und gebieterisch zu sein", schreibt Grijalva. Sie würden mehr unter Druck gesetzt als Männer, ihr narzisstisches Verhalten zu unterdrücken. (APA/red, derStandard.at, 9.3.2015)