Dass die Urabstimmung der Wiener Spitalsärzte gegen den mit der Stadtverwaltung ausgehandelten Kompromiss ausgehen würde, kam nicht ganz überraschend: Man hat ja gewusst, dass das neue Arbeitszeitmodell in Kombination mit der neuen Zusammensetzung der Ärzteeinkommen nicht populär sein kann.

Man hat auch gewusst – oder hätte seit vielen Jahren wissen müssen –, dass die bisher praktizierten Lösungen mit superlangen Diensten weder für die Beschäftigten gesund sind, noch dem EU-Recht entsprechen. Und der Qualität – wir reden immerhin von der Qualität der medizinischen Versorgung, also von Gesundheit, letztlich von Leben und Tod – waren die bisherigen Regelungen auch nicht zuträglich. Sie brachten aber jahrzehntelang jene Einkommenskombination, die es Ärzten ermöglichte, mit geringem Grundeinkommen und vielen Zulagen den Grundstock für eine spätere selbstständige Existenz mit eigener Praxis zu legen.

Dieses schlechte, aber halbwegs berechenbare System sollte gegen ein weniger berechenbares Modell eingetauscht werden, dessen Vorzüge (kürzere Dienstzeiten) durch die Nachteile nach Ansicht der betroffenen Ärzte nicht aufgewogen werden: Zwar bekämen Turnusärzte nach diesem Modell ein ordentlich erhöhtes Grundgehalt. Gleichzeitig aber sollte die Zahl der Turnusplätze sinken, generell sollte es künftig an den Spitälern weniger Ärzte geben. Und das in einer Stadt, deren Bevölkerung stark wächst und die auch immer älter wird.

Für die Ärzte in den Spitälern hieße das: noch mehr Arbeitsanfall in kürzerer Zeit. Und für die Patienten womöglich: schlechtere Versorgung bei längeren Wartezeiten.

Keine guten Aussichten. Schon gar nicht in einem Wahljahr.

Es ist verständlich, dass die zuständige Stadträtin ihren mühsam den Ärztevertretern abgerungenen Kompromiss nicht nachbessern will – aber es wird ihr ebenso wenig erspart bleiben, wie es den Funktionären der Mediziner nicht erspart bleiben wird, den Unmut ihrer Kurie zu kanalisieren und neue Verhandlungen zu erzwingen.

Schön gelaufen ist es ohnehin nicht: Den ganzen wienerischen Pallawatsch hätten sich beide Seiten sparen können, wenn sie sich rechtzeitig zu verständigen versucht hätten. (Conrad Seidl, derStandard.at, 9.3.2015)