Neu-Delhi - Weil er eine Dokumentation über die tödliche Gruppenvergewaltigung einer Studentin nicht ausstrahlen durfte, hat ein indischer Fernsehsender eine Stunde lang einen leeren Bildschirm gezeigt. Anstelle des Films "India's Daughter" (Indiens Tochter), der zum Internationalen Frauentag laufen sollte, sah man am Sonntagabend ein schwarzes Bild mit einem flackernden Licht im Hintergrund.
Verbot
Ein Gericht hatte die Ausstrahlung des Films der britischen Dokumentarfilmerin Leslee Udwin am Dienstag verboten. Zur Begründung erklärten die Richter, der "anstößige" Film zeige ein "sehr umstrittenes Interview" mit einem zum Tode verurteilten Vergewaltiger und bedrohe die öffentliche Ordnung. Innenminister Rajnath Singh verteidigte die Entscheidung und sagte, die Worte des Mannes seien "in hohem Maße herabwürdigend" und ein "Angriff auf die Würde der Frauen".
Die Entscheidung sorgte in Indien für große Empörung. Der Fernsehsender NDTV äußerte sich zunächst nicht öffentlich zu dem Verbot. Vor der Protestaktion am Sonntagabend erklärte Chefredakteurin Sonia Singh im Kurzbotschaftsdienst Twitter: "Wir werden nicht schreien, aber wir werden gehört werden."
Debatte über Gewalt gegen Frauen
Die Vergewaltigung einer 23-jährigen Studentin hatte Ende 2012 weltweit für Empörung gesorgt. Die junge Frau war vor den Augen eines Freundes von einer Gruppe Männer in einem Bus in Neu Delhi so brutal misshandelt worden, dass sie knapp zwei Wochen später ihren Verletzungen erlag. Das schockierende Verbrechen hatte auch eine landesweite Debatte über Gewalt gegen Frauen ausgelöst, die zu einer Verschärfung der Gesetze führte.
In dem Dokumentarfilm kommt einer der Vergewaltiger ausführlich zu Wort. In dem im Gefängnis geführten, verstörenden Interview gibt er dem Opfer die Schuld an der Tat. Eine Frau sei "weitaus mehr verantwortlich für eine Vergewaltigung" als ein Mann. Die Studentin hätte "nicht abends um 21.00 Uhr herumstreunen" sollen. Nach Angaben von Regisseurin Udwin zeigte der Mann "nicht eine Sekunde lang Reue". Der britische Rundfunksender BBC zeigte den Film aus Protest gegen das Verbot in Indien bereits am Mittwoch. (APA, 9.3.2015)