Der Triumph des Bacchus - und noch ein bisschen mehr: Michaelina Woutiers "Bacchanal".

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Wien - Den Künstlerinnen-Zölibat könnte man es nennen. Denn wollte eine Frau, so wie Sofonisba Anguissola (1531-1625), in der Renaissance Malerin werden, hatte sie Jungfrau zu sein, damit sie ihren Bildern auch genug Zeit widmen konnte. Sofonisba, begnadete Porträtistin und erfolgreichste Künstlerin ihrer Zeit, gab das Malen aber auch nicht auf, als sie - spät - heiratete. Ihre Eltern waren für jene Zeit bemerkenswert modern, ließen sie ihren sechs Töchtern doch die gleiche Ausbildung angedeihen, wie sie sonst nur Söhnen zustand. Ihr Selbstbewusstsein als Künstlerin und gebildete Frau wusste Sofonisba auch subtil zu transportieren: Ihr frühes Selbstporträt von 1554 zeigt sie mit einem kleinen Buch in der Hand, keinem Gebetbuch, wie man es ihrem Geschlecht zugestanden hätte, sondern einem lateinischen Werk zur Kunst.

Solch starke Persönlichkeiten stehen am Weltfrauentag im Zentrum von Führungen in den verschiedenen Sammlungen des Kunsthistorischen Museums, einem Projekt in Kooperation mit der Hilfsorganisation Care. In der Gemäldegalerie stellt Kunstvermittlerin Andrea Marbach Künstlerinnen wie Anguissola, Élisabeth Vigée-Lebrun und Michaelina Woutiers vor. Von deren Bacchanal ist Marbach besonders begeistert. Denn das Gemälde geht über die Darstellung des Triumphs des Bacchus weit hinaus. Vielmehr hat die Barockkünstlerin viele Ebenen eingezogen, verwob in die Szene andere mythologische Quellen, um zu beweisen, dass sie nicht nur eine gute Malerin ist, sondern auch gebildet. Sie will Ebenbürtigkeit zu Malern wie Peter Paul Rubens demonstrieren.

Der wollüstige Priapos will sich auf einem Fest der Götter der Nymphe Lotis nähern, das laute "Ia" des Esels zerschlägt seinen Plan. Woutiers zitiert diese Episode: Einer Frauenfigur greift ein Mann nicht nur an den Hals, sondern auch unters Kleid. Es gibt Indizien, dies sei die Künstlerin selbst. Auch von Artemisia Gentilesschi heißt es, sie habe in Susanna und die beiden Alten (1610) einen sexuellen Übergriff verarbeitet.

Woutiers Bild wurde ihr, obwohl es im Inventar von Erzherzog Leopold Wilhelm seit 1659 verzeichnet ist, erst in den 1960ern wieder zugeschrieben: Lange Zeit hielt man es für das Bild eines unbekannten Meisters. Einer Frau traute man ein Gemälde dieses Formats einfach nicht zu. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 7.3.2015)