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Foto: Reuters / CHRIS WATTIE

Gut 9800 Kilometer trennen das kanadische Sherbrooke vom Briman-Gefängnis im saudi-arabischen Jeddah, wo der Blogger Raif Badawi seit Mitte 2012 einsitzt. Weil das Gericht den Fall neu aufrollen und die Anklage auf Abfall vom Glauben ausweiten will, drohe Badawi nun die Todesstrafe, ließ seine Ehefrau Ensaf Haidar (35) von ihrem kanadischen Exil aus die Öffentlichkeit wissen.

Seit mehr als zwei Jahren kämpft sie für die Freilassung ihres Mannes und leiht dem zum Schweigen gebrachten Journalisten Stimme und Gesicht. Dass sich bei den Demonstrationen nach den Anschlägen von Paris unter den "Je suis Charlie"-Chor auch "Je suis Raif"-Stimmen mischten, ist auch der Verve geschuldet, mit der Haidar um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ringt.

"Freiheit und mehr Toleranz"

Sie versorgt die Presse mit Informationen, schließt sich mit Menschenrechtsorganisationen kurz und appelliert an westliche Politiker, sich für ihren Mann einzusetzen, wenn sie das wirtschaftlich bedeutsame Königreich besuchen. Von Österreich erbat sie – bisher vergebens – die Schließung des umstrittenen König-Abdullah-Dialogzentrums in Wien. Ihr Mann habe die Religion nicht beleidigt, stellt die studierte Islamwissenschafterin immer wieder klar. Badawi habe für Freiheit und mehr Toleranz gegenüber anderen Religionen gekämpft.

2000 lernen Haidar und der vier Jahre jüngere Badawi, ein Freund ihres Bruders, einander kennen, telefonieren heimlich und verabreden sich zu diskreten Treffen in einem Land, wo schon Blickkontakte zwischen Unverheirateten gefährlich sein können. 2002 heiraten sie gegen den anfänglichen Wunsch von Haidars Vater, verbringen Flitterwochen in Damaskus. Wenig später ist Haidar schwanger mit dem ersten ihrer drei Kinder.

Als Badawi kurz nach Gründung seines Blogs 2008 mit den Behörden in Konflikt gerät, überredet er sie auszureisen, erst nach Ägypten, dann in den Libanon, schließlich nach Kanada, das Haidar und den Kindern Flüchtlingsstatus gewährt. Mit ihrer Familie in Saudi-Arabien hält sie in der Ferne keinen Kontakt. Ihr Vater habe nach Badawis Anklage versucht, ihre Ehe zu lösen. Ihren Kindern – die jüngste Tochter ist sieben Jahre alt – musste Haidar das Schicksal ihres Vaters schonend näherbringen. "Ich fühle mich zerstört", sagte Haidar dem Guardian. "Ich will mich aber nicht in die Ecke setzen und weinen. Damit würde ich Raif im Stich lassen." (Florian Niederndorfer, DER STANDARD, 4.3.2015)