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Baldrian beruhigt nicht nur die Nerven. Wildkatzen soll der Stoff, auf Holz gesprüht, anlocken und verleiten, sich daran zu reiben. Die Haare könnten weitere Aufschlüsse liefern.

Foto: dpa / Marc Tirl

Wien - Die Wildkatze galt in Österreich schon seit den 1950er-Jahren als ausgestorben. Doch seit einiger Zeit mehren sich Hinweise, dass sie wieder zum österreichischen Arteninventar gehören könnte. Verschiedene Institutionen haben sich zusammengeschlossen und gehen seit 2009 jeder Spur der scheuen Tiere nach. Dabei soll geklärt werden, inwieweit sie überhaupt vorhanden ist und was man zu ihrem Schutz bzw. ihrer Wiederansiedlung tun kann.

Das ist denkbar kompliziert: Mit freiem Auge ist die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) kaum von einer wildfarbigen - also getigerten - Hauskatze zu unterscheiden: Sie ist ungefähr so groß wie diese und sieht ihr auch sonst sehr ähnlich, nur dass ihr Fell einen eher ockerfarbenen als silbrig-grauen Grundton hat. Neben vier dunklen Streifen im Nacken und einem Aalstrich am hinteren Rücken bietet am ehesten ihr Schwanz Hinweise: Er hat ein stumpfes Ende und weist zwei bis drei schwarze Ringe auf, die im Unterschied zur Hauskatze nicht miteinander verbunden sind.

Allen Ähnlichkeiten zum Trotz ist die Wildkatze weder eine verwilderte Form der Hauskatze noch deren Stammform. Unsere "Stubentiger" stammen von der afrikanischen Falbkatze ab. Nichtsdestoweniger sind die beiden nah genug verwandt, um sich erfolgreich miteinander paaren zu können.

Jäger der Wühlmaus

Die meisten Menschen kommen nie in die Verlegenheit, eine Wildkatze zu bestimmen. Die Tiere sind dafür zu scheu. Als vorwiegend dämmerungs- und nachtaktive Jägerin, die die menschliche Nähe meidet, bewohnt sie vor allem ausgedehnte, naturnahe Laub- und Mischwälder, die von Lichtungen, Wiesen und Gewässern durchbrochen sind und reich strukturierte Ränder aufweisen. Dort jagt sie in erster Linie Wühlmäuse. Nur wenn es von diesen zu wenige gibt, erbeutet sie auch Amphibien, Reptilien, Insekten, Fische, Vögel und Säuger bis maximal Kaninchengröße. Nur im Winter ist sie nicht ganz so wählerisch und frisst auch Aas. Die Feinde der Wildkatze sind neben dem Menschen vor allem der Luchs und der Wolf. Jedes der Tiere beansprucht ein Revier, in dem es sich tagsüber meist in Verstecke, wie Heckengebüsche oder Reisighaufen, zurückzieht. Die Weibchen werfen in der Zeit von März bis Mai zwei bis fünf Junge, die sie in abgestorbenen Bäumen, verlassenen Fuchs- oder Dachsbauten, Felsnischen oder ähnlichen schützenden Strukturen verstecken. Die Väter beteiligen sich nicht an der Aufzucht der Kätzchen, die bereits mit rund einem halben Jahr selbstständig werden. Überleben sie die gefahrenvolle Jugendphase, können sie sieben bis zehn Jahre alt werden.

Seit dem Jahr 2000 gibt es einzelne Nachweise der Wildkatze aus Niederösterreich, dem Burgenland und Kärnten, aber niemand weiß, woher die dort gesichteten bzw. tot aufgefundenen Tiere stammen: Sind sie zugewandert, und wenn ja, woher? Oder leben und vermehren sie sich gar in aller Stille bei uns? Um diese Fragen zu klären, wurde auf Initiative des Naturschutzbundes Österreich 2009 die "Plattform Wildkatze" gegründet, an der unter anderen die Österreichischen Bundesforste, der Tiergarten Wels, das Naturhistorische Museum Wien, der Nationalpark Thayatal, der Innsbrucker Alpenzoo und die Zentralstelle der Österreichischen Landesjagdverbände beteiligt sind. Langfristiges Ziel der Organisation ist es, in Österreich wieder eine stabile, sich selbst erhaltende Wildkatzen-Population zu etablieren. Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg zu gehen. Zwar hat eine Lebensraum-Modellierung ergeben, dass auf dem Bundesgebiet fast 1000 Wildkatzen ihr Auslangen finden könnten, vor allem in den großen Wäldern des Südburgenlandes und Weinviertels, aber vorerst hat man keine Ahnung, wie viele es derzeit in Österreich gibt und ob sie wirklich hier leben oder nur auf der Durchreise sind.

Hinweise sammeln

Deshalb werden ebenfalls seit 2009 alle Hinweise, die auf die Anwesenheit einer Wildkatze schließen lassen, bei einer in Salzburg ansässigen Koordinations- und Meldestelle überprüft, beurteilt und schließlich der Datenbank des NHM Wien zugeführt. Insgesamt gab es seit dem Jahr 2000 immerhin 215 Hinweise auf Wildkatzen, davon 24 sichere und zehn wahrscheinliche Nachweise. Sechs Totfunde - allesamt Opfer des Straßenverkehrs - konnten eindeutig als Wildkatzen bestimmt werden, lebende Individuen waren in drei Fällen sicher Wildkatzen und in drei weiteren mit hoher Wahrscheinlichkeit.

Um festzustellen, ob ein Gebiet die scheuen Tiere tatsächlich beherbergt, lassen sich die Wissenschafter einiges einfallen: Eine Möglichkeit ist das Aufstellen von aufgerauten Holzpflöcken, die mit Baldrian besprüht werden. Die von dem Duft angezogenen Wildkatzen sollen sich an dem Lockstock reiben und Haare daran hinterlassen, die dann genetisch bestimmt werden können. Allerdings werden von dem Geruch auch Hauskatzen und andere Wildtiere angelockt, die nicht im Fokus des Interesses stehen. "Punktgenau" funktioniert hingegen der Einsatz von Spürhunden: Diese können zur Suche nach Kot und Urin einer bestimmten Tierart eingesetzt werden und reagieren dann nur auf diese. Leo Slotta-Bachmayr, Leiter des Tiergartens Wels, hat seinen Border-Collie namens Spot auf den Kot der Wildkatze trainiert. Gefunden hat er bis jetzt allerdings noch keine. Auch die von zwei Wildbiologen zwischen 2011 und 2013 aufgestellten Lockstöcke in Kärnten, der Steiermark und dem Burgenlang brachten keine Ergebnisse.

Slotta-Bachmayr zweifelt daher, dass Österreich wieder eine Wildkatzen-Population beherbergt: "Es dürfte sich um Einzeltiere handeln, die eventuell auch reproduzieren." Für die Wiederansiedlung der Wildkatze gäbe es zwei Möglichkeiten: Entweder setzt man gezielt Tiere frei, oder man wartet, bis genügend Individuen aus den Nachbarländern - aus Italien, Ungarn, Slowenien - zuwandern. "Das dürfte Jahrzehnte dauern", meint der Tiergartenleiter. Es braucht also viel Geduld, bis in den Wäldern wieder jene Tiere in größerer Anzahl anzutreffen sind, die dem "Stubentiger" so ähnlich schauen - und man sicher sein kann, dass es nicht nur Tiere auf der Durchreise sind. (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 4.3.2015)