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Ein Polizeiauto vor dem Gericht, in dem Singh verurteilt wurde.

Foto: EPA/MONEY SHARMA

Neu-Delhi - Der Vergewaltiger und Mörder einer Inderin in einem Bus in Neu-Delhi hat das Opfer für die Tat mitverantwortlich gemacht. "Mit einer Hand kann man nicht klatschen - dazu braucht es zwei Hände", sagte Mukesh Singh in einem indisch-britischen Dokumentarfilm, der zum Frauentag am 8. März auf BBC Four erstmals ausgestrahlt wird. "Ein anständiges Mädchen würde nicht um 21.00 Uhr noch draußen herumlaufen."

Das Interview mit dem zum Tode verurteilten Mörder sei mit Genehmigung der Regierung in einem Gefängnis in Neu-Delhi geführt worden, sagte eine Sprecherin für die Produktion der Sender NDTV und BBC. Der Vergewaltiger beschuldigte das Opfer auch, die falsche Kleidung getragen zu haben. "Mädchen sollten sich um den Haushalt kümmern und sich nicht in Discos und Bars herumtreiben", sagte er.

Opfer erlag inneren Verletzungen

Die Studentin war im Dezember 2012 zusammen mit ihrem Freund auf dem Heimweg von einem Kinobesuch. Sechs Männer vergewaltigten die junge Frau in einem Bus mehrfach, misshandelten sie mit einer Eisenstange, verletzten sie schwer und warfen sie und ihren Freund schließlich aus dem Fahrzeug. Die 23-jährige Frau starb 13 Tage später an ihren inneren Verletzungen, ihr Begleiter überlebte.

Vier der an der Gruppenvergewaltigung beteiligten Männer wurden in erster Instanz zum Tode verurteilt. Bei dem für den Dokumentarfilm interviewten Täter handelte es sich um den Busfahrer. Er hat das Todesurteil angefochten. Laut der britischen Zeitung "The Telegraph" bestritt Singh zunächst, an der Tat direkt beteiligt gewesen zu sein. Die DNA-Tests überzeugten das Gericht aber vom Gegenteil.

"Vergewaltigung geschehen lassen"

In dem BBC-Interview sagte er weiter, die Studentin wäre noch am Leben, wenn sie sich nicht gewehrt hätte. "Sie hätte einfach ruhig sein und die Vergewaltigung geschehen lassen sollen. Dann hätten wir sie abgesetzt, nachdem wir mit ihr fertig waren."

Er hält außerdem eine mögliche Vollstreckung des Todesurteils gegen ihn und seine Komplizen für einen Fehler, weil dies das Leben künftiger Vergewaltigungsopfer gefährde. Bisher hätten Vergewaltiger ihre Opfer nach der Tat laufengelassen und gesagt: "Sie wird schon nichts erzählen." Nun würden sie die Frauen töten.

Exempel statuieren

Die Gruppenvergewaltigung an der 23-jährigen Studentin löste in Indien Proteste und eine breite Debatte über den gesellschaftlichen Stellenwert von Frauen aus. Mit den ausgesprochenen Todesurteilen gegen die Täter wollte das Gericht auch ein Exempel statuieren. Trotzdem gelangen Misshandlungen von und Morde an Frauen in Indien immer wieder in die Schlagzeilen.

2014 wurden in Neu-Delhi laut Zahlen der Polizei mehr als 2.000 Vergewaltigungen registriert. Das ist ein Anstieg der gemeldeten Fälle von mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Immer mehr Frauen dürften ihre Vergewaltiger anzeigen.

Haltung gegenüber Frauen

Laut einem Bericht des Nachrichtenportals Quartz India ist Gewalt an Frauen kein Randphänomen. Bei einer Umfrage unter Studierenden antworteten etwa auf die Frage "Frauen müssen einen gewissen Grad an Gewalt akzeptieren" 43 Prozent der befragten Männer und 39 Prozent der Frauen mit Ja. Mehr als die Hälfte der befragten Studierenden sind laut der Studie der Meinung, dass Frauen sich provokativ kleiden und benehmen würden. (APA/cmi, derStandard.at, 3.3.2015)