Sabin Tambrea in einem Smoking von Giorgio Armani und einem Hemd von Dior. Die Ringe sind von Frey Wille.

Foto: Maria Ziegelböck

Der Anzug ist von Zegna, das Hemd von Dior, die Ringe sind von Frey Wille.

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Eigentlich wollte Sabin Tambrea Musiker werden. Neben vielen anderen Instrumenten spielt er auch die Flöte. Pulli und Hose sind von Prada, die Bluse ist von Vivienne Westwood.

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Den Anzug gibt es bei Etro, das Hemd bei Zegna.

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Er ist groß. Sehr groß, um genau zu sein. In Filmproduktionen blickt Sabin Tambrea mühelos über die anderen Schauspieler hinweg. Auf der Bühne ragt er wie ein Leuchtturm hervor. "Filme, in denen ich mitspiele, müssten im Hochformat gedreht werden", sagt der 1,94-Meter-Mann und setzt dann sein charmantestes Lächeln auf.

Es ist schmal und breit und macht den 31-Jährigen noch einmal ein paar Jahre jünger. Sabin Tambrea ist einer jener Schauspieler, die ein wenig aus der Rolle fallen. Kein Beau, aber mit einem irritierend attraktiven Gesicht. Kein MannMann, aber auch nicht wirklich feminin. Und dann diese Größe. Im Film, sagt er, sei das ein großer Nachteil. Dennoch hat Tambrea jene Rolle, mit der er beim breiteren Publikum bekannt wurde, nicht trotz, sondern wegen seiner Größe erhalten. Für die Rolle des bayerischen Königs Ludwig II. wurde ein Schauspieler mit einer Größe über 1,90 gesucht. Tambrea bewarb sich mit einem iPhone-Video - und wurde genommen.

"Vampirische Androgynität"

Das war vor nunmehr fünf Jahren. Der Schauspieler mit rumänischen Wurzeln spielte damals an Claus Peymanns Berliner Ensemble. Einer unter vielen. Mit der Verkörperung von Bayerns Märchenkönig in einer 16-Millionen-Euro-Filmproduktion wurden plötzlich auch Menschen auf ihn aufmerksam, die nie ins Theater gehen. Schauspiellegenden wie O. W. Fischer oder Helmut Berger hatten in der Vergangenheit den Ludwig gespielt. Jetzt lag es an Tambrea, einem Menschen ein Gesicht zu geben, der nicht wirklich von dieser Welt war. Ein Träumer und Getriebener. Neben der Nominierung zum Deutschen Filmpreis wurde Tambrea mit dem New Faces Award und dem Bayerischen Filmpreis belohnt. "Man sagt mir nach, dass ich eine vampirische Androgynität ausstrahle", sagt Tambrea. Das sehen auch viele Regisseure und Fotografen so.

Die vergangenen fünf Stunden hat sich der Schauspieler am Fotoset einer Wiener Märchenwohnung in Rüschenblusen und Karo-Anzüge geworfen. In Männerhosen und Frauentops, an den Fingern eine Unzahl an Emailleringen. Eine Art großgewachsener Egon Schiele. "Ich bemühe mich, gegen diese Rollenzuschreibungen zu arbeiten", wird er später sagen. In dem Film Nackt unter Wölfen spielt er einen KZ-Aufseher, in Marthes Geheimnis einen bösartigen Ritter. Beide Filme werden erst im Laufe des Jahres ausgestrahlt. Und, verspricht der Schauspieler, einen ganz anderen Sabin Tambrea zeigen.

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Weicher, undurchdringbarer Typ

Noch ist der in Berlin lebende Tambrea auf den weichen, undurchdringbaren Typen festgelegt: den Buben, der eigentlich ein Mädchen sein möchte, wie in dem Kurzfilm Fliehkraft, in dem er mit loderndem Blick einen jungen Transsexuellen im Jahrmarktsmilieu spielt. Oder den Studentensoftie, der zum Stalker wird. Letzteres ist die Rolle, in der Tambrea bald in österreichischen Kinos zu sehen sein wird. In Andrina Mracnikars Regiedebüt Ma Folie spielt er einen Liebenden, der sich von seiner Eifersucht gefangen nehmen lässt. "Jeder, der jemals eine Liebesbeziehung geführt hat, kann das im Keim wahrscheinlich nachvollziehen", sagt Tambrea: die Unsicherheit, das Misstrauen, die Spekulation. Die Haneke-Schülerin Mracnikar zeigt aber auch den Terror, der der Liebe folgen kann. Wobei nie ganz klar wird, ob sich dieser vielleicht auch nur in der Vorstellung der Angebeteten abspielt.

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Ma Folie ist ein Stück Kopfkino, das mit der Kluft zwischen Sein und Schein spielt. Während eine Frau durch die Hölle geht, steht ein Mann daneben und lächelt. Tambrea gibt diesen Typen, wie er auch schon den Ludwig gespielt hat: als jemanden, dessen Fantasiewelten mit der Realität kollidieren. War es beim Bayernkönig die Musik, der er verfällt, so ist es in Ma Folie die Wienerin Hanna. Sie wird von der deutschen Schauspielerin Alice Dwyer gespielt, mit der Tambrea seit den Filmarbeiten auch privat ein Paar ist. "Das sollte aber nicht davon ablenken, dass hier ein toller Film entstanden ist!", sagt Tambrea. Über die Beziehung spricht er ungern. In den deutschen Illustrierten sind die beiden dennoch immer wieder zu sehen.

Schauspieler statt Musiker

So vorsichtig Tambrea mit seinem eigenen Beziehungsleben umgeht, so unbeschwert erzählt er von seiner künstlerischen Laufbahn. Vor allem als er den Ludwig spielte und durch die deutschen Medien gereicht wurde, machte sich die Geschichte, dass er ursprünglich Musiker werden wollte, gut. In einer Musikerfamilie im nordrhein-westfälischen Hagen aufgewachsen (die Eltern emigrierten von Siebenbürgen nach Deutschland, als Tambrea drei war), spielte er schon früh Violine, Bratsche und Klavier. Weil der Jugendliche mit dem Lampenfieber beim Vorspielen aber nicht zurechtkam, sattelte er mit 18 auf Schauspiel um und besuchte die Schauspielschule Ernst Busch in Berlin. Hier wurde noch während des Studiums Claus Peymann auf ihn aufmerksam und engagierte ihn ans Berliner Ensemble.

Die Musik ist Tambrea geblieben. "Sie ist meine zweite Muttersprache", sagt er heute. Jede Rolle, die er annehme, erarbeite er sich über ein spezielles Musikstück. Bei Ludwig war es Mahler ("Wagner war für eine modernere Übersetzung Ludwigs zeitlich zu weit entfernt"), bei Ma Folie der Soundtrack der jüngsten Verfilmung von The Great Gatsby.

In der Rolle des mysteriösen Dandys würde sich auch Tambrea gut machen. Aber natürlich nicht jetzt. Jetzt will der Schauspieler aus der Schublade, in die ihn Filmregisseure gerne stecken, erst einmal herauskommen. Schade eigentlich. Er macht sich darin ziemlich gut. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 6.3.2015)