Freetown/Wien - Sie verlor ihren Ehemann und ihre Schwester, sie verlor ihr Geschäft und ihre Gesundheit. Ihren Willen verlor Maseray Kamara aber nicht. Die 45-jährige Mutter von drei Kindern war eines der Opfer der großen Ebolaepidemie, die im Vorjahr im Westen Afrikas ausgebrochen und für Monate nicht unter Kontrolle gebracht worden war. Doch Kamara genas. Und sie beschloss, denen, die ihr Leben ließen, zumindest einen würdevollen Abschied zu ermöglichen.

Übelkeit, Bauchschmerzen und eine stark eingeschränkte Bewegungsfähigkeit waren die ersten Symptome, die der Virus Anfang November vorausschickte. Zu diesem Zeitpunkt waren Kamaras jüngere Schwester und ihr Ehemann bereits erkrankt.

Foto: World Vision

Anders als ihre Verwandten und viele ihrer Landsleute zögerte Kamara nicht lange und fuhr von ihrer Heimatstadt Bo, der im Landesinneren gelegenen, zweitgrößten Stadt Sierra Leones, in die Hauptstadt Freetown, um sich im Lumley Hospital die Diagnose bestätigen zu lassen.

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Dass Kamara überlebte, liegt vor allem daran, dass sie die Gerüchte, das Virus würde in den örtlichen Gesundheitseinrichtungen nicht bekämpft, sondern im Gegenteil genau dort verabreicht, nicht ernst nahm. Der Aberglaube war zu einem guten Teil daran schuld, dass sich ein lokaler Ebolaausbrauch in die größte Epidemie ihrer Art auswachsen konnte.

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Über 24.000 Menschen erkrankten bisher an dem Fieber, mehr als 10.000 der Infizierten starben. Erst im Februar konnte die Zahl der Neuerkrankungen auf unter hundert pro Woche reduziert werden – ein Zehntel der Infektionen zum Höhepunkt.

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Aufklärung, konzertierte Quarantäne-Aktionen und der bereits ausbezahlte Teil der über vier Milliarden Euro an internationaler Hilfe halfen bei der Eindämmung. Gewonnen ist der Kampf gegen das Virus damit freilich noch nicht. Noch immer sterben in Sierra Leone, Liberia und Guinea täglich Menschen.

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Auch Kamaras Schwester, ihr Mann und ihre Tante überlebten das Fieber nicht. Nachdem Kamara in Freetown positiv auf Ebola getestet worden war und eine Therapie im Bandajuma Treatment Centre im Distrikt Bo durchlaufen hatte, durfte sie nach zwei Wochen wieder nach Hause – wo sie während der Rekonvalszenz den Tod ihrer Angehörigen hinnehmen musste.

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Alle Waren, vor allem Lebensmittel, die Kamara am Markt verkaufen wollte, wurden nach ihrem positiven Ebolatest beschlagnahmt und vernichtet. Sie stand vor den Scherben ihrer Existenz, als sie auch noch ihr Verpächter drohte, sie aus ihrem Haus zu werfen.

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Also ergriff Kamara die Flucht nach vorne und schloss sich einem Bestattungsteam an. Als Teil der von der Hilfsorganisation World Vision eingesetzten Gruppe erhält sie täglich zwei warme Mahlzeiten und hundert Dollar pro Woche. Das Geld erlaubt es ihr, ihre Kinder zu ernähren, sagt Kamara.

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Sie entschloss sich zu dem Schritt aber auch, weil ihr der Umgang mit den Verstorbenen im Lumley Centre ihr die Augen geöffnet habe, so Kamara. Während ihres kurzen Aufenthalts in dem Spital in Freetown waren die Leichen wie Abfall in Plastiksäcken abtransportiert worden. Ohne Zeremonie, ohne auch nur ein Wort der Trauer.

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"Wir müssen den Verstorbenen Ehre erweisen", sagt Maseray Kamara. Sie ist eine der wenigen Frauen, die als Bestatterinnen arbeiten, und achtet besonders darauf, dass weibliche Todesopfer ihre Würde behalten. Wann immer das Team eine Frauenleiche abholt, geht Kamara vor und bedeckt gegebenenfalls den Körper.

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Kamara und ihr Team sind am Bo Coronation Field stationiert, und wenn dort der Alarm erklingt, bereiten sie sich auf ihren Einsatz so vor, wie sie es im einwöchigen Training gelernt haben. Sie bereiten den Transportwagen vor, legen Schutzkleidung an und packen die Desinfektionsmittel ein, um die Ansteckungsgefahr der anwesenden Angehörigen zu minimieren.

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Die Infektionsgefahr ist auch nach dem Tod von Familienmitgliedern noch hoch, denn das Bestattungsritual der Muslime, die in Sierra Leone die Bevölkerungsmehrheit stellen, sieht die zeremonielle Waschung der Leiche und das Flüstern von Abschiedsworten durch den Ehemann oder die Ehefrau vor.

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"Zwar werden Muslime meistens noch am Tag ihres Todes beerdigt, aber der Abschiedsprozess beinhaltet viele Berührungen und Umarmungen", erklärt Kamara. Bei christlichen Familien erhöht sich die Gefahr hingegen eher deshalb, weil die Leiche in der Regel noch mehrere Tage aufgebahrt wird.

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Am schwierigsten ist der Job, wenn die Opfer Kinder sind, sagt Kamara. "Als Mutter ist es mir wichtig, die Kinder anderer Mütter ungestört und würdevoll zu begraben."

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In vielen Fällen sprechen örtliche Pastoren oder Imame kurze Gebete, während der Leichnam am Boden neben dem Grab liegt. Handelt es sich um Kinder, hält Kamara die in Decken gewickelten Körper bis zuletzt in ihren Armen.

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"Ich will dem Kind einen angemessenen Abschied geben. Ich will, dass es in Frieden geht", sagt Maserey Kamara. (mcmt, derStandard.at, 11.3.2015)

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