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16 Vorarlberger Dörfer und wählen am 15. März nach dem Mehrheitswahlverfahren.

Foto: apa

Bregenz - In Kleingemeinden braucht man keine Parteien oder Wahllisten. Das bringe nur Unfrieden ins Dorf, sagt man in 16 Vorarlberger Dörfern und wählt am 15. März nach dem Mehrheitswahlverfahren. Was bedeutet: Jeder kann jeden wählen oder auch jede. Einschränkung: Was "jede" betrifft, ist man noch etwas zögerlich. Der Frauenanteil ist bei Mehrheitswahlen gering.

Wie funktioniert die Wahl ohne Listen? Die Wahlberechtigten bekommen einen leeren Stimmzettel und eine Liste aller wählbaren Personen zugeschickt, sie können dann aus dieser Liste maximal doppelt so viele Personen auf den Stimmzettel schreiben, wie Sitze in der Gemeindevertretung zu vergeben sind.

Manchmal wird auch eine Vorauswahl getroffen. Dann schreibt die Gemeinde alle wählbaren Bürgerinnen und Bürger an und fragt, ob sie sich der Wahl stellen wollen. Wer kandidieren will, meldet sich bei der Gemeinde. Die Liste dieser Personen wird dann wieder an die Wählerinnen und Wähler geschickt. So geschieht es beispielsweise in Lech.

Demokratie pur oder Kastensystem

Die Gemeindevertreter/innen werden nach der Wahl nach Stimmenanteil gereiht. Die Gemeindevertretung wählt schließlich Gemeindevorstand und Bürgermeister. Demokratie pur, Persönlichkeitswahlrecht, wie es direkter nicht sein kann, Chancengleichheit – sagen die Befürworter. Clanwahl, Kastensystem, sagen Kritische.

1984 kippte der Verfassungsgerichtshof dieses Wahlverfahren. 14 Jahre lang gab es auch in Kleingemeinden das Verhältniswahlrecht. 1998 setzten sich die Befürworter der Mehrheitswahl wieder durch. Eine bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung macht die Mehrheitswahl möglich, wenn keine Wahlvorschläge eingebracht werden.

Gegen die Mehrheitswahl spricht: In der Regel wird bei Mehrheitswahlen nicht offen wahlgekämpft. Die Werbung für einzelne Kandidaten läuft über Stammtische, Vereine, Familien, Unternehmen. Wer im Dorf nicht etabliert ist, hat keine Chance. Strittige Themen werden unter den Teppich gekehrt. Zugezogene können die Netzwerke selten durchschauen.

Nicht nur demokratisch

Für die Mehrheitswahl spricht: In Gemeinden mit ausgeprägtem Demokratieverständnis wird vor der Wahl mit allen Interessierten öffentlich über die bisherigen Leistungen und künftigen Aufgaben der Gemeindevertretung diskutiert, offen nach Mitarbeitswilligen gesucht. Im Optimalfall wird die Balance zwischen Geschlechtern, Alters- und Berufsgruppen angestrebt. Die Wahlvorbereitung ist transparent, Lobbys wird kein Spielfeld geboten.

Diese Mühe tun sich aber nur wenige Bürgermeister an. Allzu oft sind Mehrheitswahlen ein Instrument für traditionalistische, konfliktscheue (Männer-)Gesellschaften, die sich nicht gerne in die Karten schauen lassen. (Jutta Berger, derStandard.at, 3.3.2015)