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Darf ein Internetanbieter mit maltesischer Lizenz den heimischen Monopolisten Konkurrenz machen? Das ist noch nicht entschieden.

Foto: dpa / Bernd Thissen

Wien - Dem Obersten Gerichtshof lag vor mehr als einem Jahr der Fall eines Online-Roulette-Spielers vor, der mit der Begründung, die Betreiberin der Online-Roulette-Plattform verfüge über keine Konzession und biete somit rechtswidrig an, die Rückzahlung des verspielten Betrages verlangte. Die Beklagte wandte ein, Österreichs Glücksspielmonopol verstoße gegen EU-Recht, weil es die Dienstleistungsfreiheit beschränke. Daher dürfe sie mit ihrer Lizenz aus Malta Internetglücksspiel in Österreich anbieten.

Das Erstgericht (LG Linz, 1 Cg 190/11y) wies die Klage des Spielers ab und urteilte, das De-facto-Monopol sei EU-rechtswidrig. Das Berufungsgericht gab der Klage statt (OLG Linz, 3 R 99/12t). Der OGH (2 Ob 243/12t) hob Ende 2013 die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und bekräftigte, dass Österreichs Monopolregelung bei einem festgestellten Verstoß gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit nicht beachtet werden müsse. Das Verbot, Internetglücksspiel außerhalb des Monopols anzubieten, auf das der Spieler seinen Anspruch stützt, bestünde dann wegen des EU-Anwendungsvorrangs nicht. Der OGH trug dem Erstgericht auf, zu prüfen, ob das Monopol den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien entspreche. Das Erstgericht sollte besonderes Augenmerk auf eine allfällige expansionistische Geschäfts- und Werbepolitik legen; dies sei für die Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit des Monopols ausschlaggebend.

"Lotto sichert Ihre Pension"

Im fortgesetzten Verfahren befasste sich das Erstgericht (LG Linz 28. 11. 2014, 1 Cg 190/11y) eingehend mit der Geschäftspolitik der Konzessionäre und De-facto-Monopolisten Österreichische Lotterien und Casinos Austria und listete akribisch deren über die Jahre ansteigenden Werbeausgaben auf. Das Gericht stellte fest, dass die Werbung der Monopolisten "nicht maßvoll" ist und "sich explizit auch an neue Kunden für das Glücksspiel [richtet]". "Ein positives Image wird dem Glücksspiel beispielsweise verliehen, wenn mit Slogans geworben wird, [... ] wie ,Ein Gewinn für Österreich!' [...]." Die Anziehungskraft werde mit Slogans wie "Lotto sichert Ihre Pension" weiter erhöht.

Das LG Linz resümiert, dass die Werbung auf Expansion abzielt und alle vom EuGH geforderten Vorgaben vermissen lässt: "Nicht nur, dass die Werbung aktiv zur Teilnahme am Spiel anregen soll, sie verharmlost konsequent das Spielen ganz grundsätzlich und spielt bewusst mit den Sehnsüchten der Spieler. Zugkräftige Werbebotschaften und Sexismus sind dabei ebenso an der Tagesordnung wie auch das Werben mit Aktionen, die den Unternehmen ein positives Image verleihen sollen." Aufgrund der aggressiven Werbung "können die mit dem Monopol einhergehenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit mit Verbraucher- oder Spielerschutzerwägungen nicht gerechtfertigt werden".

Scheinheiligkeitstest

Den Scheinheiligkeitstest ("hypocrisy test"), mit dem die "kohärente und systematische" Verfolgung der vorgebrachten Rechtfertigungsgründe bei Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geprüft wird, hat Österreichs Monopol wohl nicht bestanden. Denn dabei ist zu prüfen, ob die Regelung geeignet ist, die verfolgten Ziele tatsächlich zu erreichen. Es kommt auf die Widerspruchsfreiheit und Stimmigkeit an: Die von Österreich zur Rechtfertigung vorgebrachten Ziele des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung passen jedenfalls nicht mit der Expansions- und Werbepolitik der Monopolisten zusammen.

Die Aussagen des LG-Linz-Urteils spiegeln sich in jüngsten Berichten wider. Die Lotterien konnten im Vorjahr ihren Umsatz um 3,3 Prozent auf 3,15 Mrd. Euro steigern und zählen zu den Top-Werbern in Österreich, mit einem mehr als beachtlichen Bruttowerbevolumen von rund 50 Mio. Euro (plus fünf Prozent zum Vorjahr).

Wenn sich das Monopol nicht rechtfertigen lässt, ist das Angebot der beklagten Roulette-Betreiberin mit maltesischer Lizenz rechtskonform. Dafür sorgt die EU-Dienstleistungsfreiheit. Auf diese berufen sich in Deutschland nun übrigens just die österreichischen Monopolisten, die mit einer ihrer Töchter (Tipp3) und der Deutschen Telekom als Partnerin mit Internetwetten an den Start gehen wollen - auf Basis einer Lizenz aus einem anderen EU-Mitgliedstaat.

Auch in Österreich ist die Kugel noch nicht endgültig gefallen: Das Urteil des LG Linz ist nicht rechtskräftig. (Arthur Stadler, Nicholas Aquilina, DER STANDARD, 2.3.2015)