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Ein Still aus dem Video aus dem Museum Mossul: Historisch gewandet gehen IS-Milizionäre auf antike Statuen los. Die Götzen müssten zerstört werden, erklärt ein Kommentator.

Foto: AP Photo via militant social media account

Mossul/Wien – Das Video des "Medienbüros der Provinz Ninive" ist gleichsam didaktisch aufgezogen und beginnt mit einem Koranvers über die verbotene Verehrung von Idolen und mit der Erklärung eines Sprechers des "Islamischen Staats" (IS): Die "Götzen" seien früher anstelle von Allah verehrt worden, "Satanisten" hätten sie ausgegraben, laut dem Propheten Mohammed müssten sie zerstört werden – auch wenn sie Millionen wert seien. Dann beginnen Männer mit Hämmern und Hacken auf die Objekte des Museums in Mossul einzuschlagen, später sieht man sie noch mit Schlagbohrhämmern am Werk, auch im Freien, an einer archäologischen Stätte offenbar am Nergal-Tor, einem der Tore zum alten Ninive, wo eine 2600 Jahre Türhüterfigur – ein geflügelter Stier – zerstört wurde.

Das Entsetzen im Irak und international ist groß; Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova forderte eine Sondersitzung des Uno-Sicherheitsrats. Der irakische Antikenminister sprach von einem "Verlust für die ganze Menschheit". In den Tagen zuvor hatten die IS-Milizen in der Bibliothek von Mossul tausende Bücher zerstört, am Donnerstag wurde au ßerdem die Khudr-Moschee gesprengt, die einen Schrein beherbergt – auch das fällt für die Radikalsalafisten unter Idolatrie.

Sekundärmuseum Mossul

Was in Mossul zerstört wurde, ist unschätzbar – aber auch in dem Sinne, dass selbst Experten keinen genauen Überblick haben, um welche Objekte es sich handelt. Einer der führenden Assyriologen, Michael Jursa, lehrt und forscht an der Universität Wien. Nach Mossul habe er schon länger keine direkten Kontakte, sagt er zum STANDARD; die irakischen Experten, die unter Saddam Hussein noch vorhanden waren, seien alle verschwunden, umgebracht oder geflohen. Mossul sei jedoch auf alle Fälle ein sekundäres Museum gewesen: Unter Saddam seien alle spektakulären Funde nach Bagdad (wo 2003 die US-Armee bei der Plünderung des Nationalmuseums zusah) gebracht worden.

Bei den Figuren könnte es sich teilweise auch um spätere Gipsabgüsse spätantiker und älterer assyrischer Statuen handeln. Allerdings ist in einem New York Times-Artikel von neueren Funden die Rede; genaue Informationen dazu fehlen. Dass riesiger materieller und kultureller Schaden angerichtet wurde, ist auf alle Fälle unbestreitbar.

Jursa weist auf die "Schizophrenie" hin, die sich dadurch ergibt, dass der "Islamische Staat" auch Handel mit antiken Objekten betreibt. Diese Zerstörungsaktion sei nicht so "geradlinig", wie sie auf den ersten Blick erscheine, sie ziele eher auf Emotionen ab.

Den illegalen Markt für antike Objekte gebe es, genannt werden als Handelsplätze die Schweiz und London. Es sei auch gar nicht einfach, nicht bekannte Objekte zu ihren Verkäufern – im heutigen Fall der "Islamische Staat" – zurückzuverfolgen, erklärt Jursa.

In Österreich tauche momentan nichts auf – das sei früher anders gewesen. Da jedoch etwa von den großen Plünderungen nach 2003 – die fotografisch dokumentiert sind, da wurden ganze Landstriche umgepflügt – keine Fundstücke in großem Ausmaß auf dem Markt aufgetaucht seien, muss man annehmen, dass sie in geheimen Sammlungen gelandet sind oder noch bei den Händlern liegen, sagt Jursa.

Syrische Christen gekidnappt

Die Auslöschung des assyrischen (und anderen vorislamischen) Erbes in Mossul wird auch in Zusammenhang gebracht mit der Entführung von bis zu 350 syrischen Christen in den letzten Tagen, die in den Medien oft "assyrisch" genannt werden – die meisten Mitglieder der syrisch-orthodoxen Kirche lehnen diesen Begriff für sich selbst ab, sie bezeichnen sich als Aramäer (es gibt allerdings auch eine assyrisch-apostolische Kirche). Aus etwa dreißig Dörfern im Nordosten Syriens seien die Menschen verschwunden, heißt es. Die USA haben ihre Luftangriffe in dem betroffenen Gebiet verstärkt; offenbar gibt es aber auch Verhandlungen mit der IS über die Freilassung der Christen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 28.2.2015)