Mariella Gruber-Filbin: "Wie Erfolg funktioniert, kann man lernen."

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"Ich wusste zuerst nicht einmal, dass es das gibt", sagt Mariella Gruber-Filbin lachend. 2004 hat sie an der Medizinuniversität Graz sub auspiciis promoviert. "Detailorientiert" und "perfektionistisch" sei sie eben. Lauter Einser, das habe sich dann so ergeben. Mit "Dieses Stück weit noch extra zu gehen" oder "Das ständige Suchen: Was gibt es noch?" beschreibt sie ihren Antrieb. Das sei weniger eine Sache der Intelligenz als der Persönlichkeit.

Und ja, Mentoren und Mentorinnen hätten sie immer unterstützt. Zuerst einmal ihr Doktorvater Konrad Schauenstein an der Pathophysiologie in Graz. Dann Christian Urban, an dessen Abteilung sie sich für die Kinderonkologie begeistert habe. Kinder und Krebserkrankungen, das stellten sich viele Menschen als besonders schwieriges und trauriges Thema vor. Das sei es auch, sagt Gruber-Filbin, aber "Kinder konzentrieren sich ganz auf die Gegenwart. Auf unserer Station wird auch viel gelacht und auf den Gängen Fußball gespielt."

Harte Arbeit, gute Netzwerke

"Unsere Station" ist für Gruber-Filbin derzeit eine Abteilung am berühmten Kinderspital der Universität Harvard, dem Dana-Farber/Boston Children's Hospital, wo sie an neuen Medikamenten gegen das Glioblastom forscht. Dieser Hirntumor, der bei Erwachsenen und Kindern auftritt, ist derzeit noch unheilbar, die Patienten haben eine Lebenserwartung von etwa 18 Monaten. Dass es die 1978 in Bad Radkersburg in der Steiermark Geborene bis nach Harvard geschafft hat, ist kein Zufall, sondern fußt auf harter Arbeit und gutem Netzwerken.

Von Graz ging aus sie ans Wiener AKH an die Neuroonkologie, wo sie ihre Facharztausbildung absolvierte. Und auch hier half wieder eine Mentorin: "Professor Irene Slavc hat mich sehr unterstützt und mir geraten, ins Ausland zu gehen. Bei einer Konferenz in Japan wurde ein Professor aus Harvard auf meine Daten aufmerksam, so kam der Kontakt zustande", erzählt sie.

Wie toll ist Harvard wirklich?

Von 2008 bis 2011 hatte sie dann eine Postdoc-Stelle in Harvard, die durch ein "Apart-Stipendium" der Akademie der Wissenschaften finanziert wurde. Danach stand die Entscheidung an: nach Österreich zurück oder nicht? "Meine klinische Ausbildung wurde in den USA nicht anerkannt, also musste ich mir die Frage stellen: Wie toll ist Harvard wirklich?" Sie blieb – und musste alle Prüfungen für den Facharzt nochmals ablegen. "Eine Bauchentscheidung", wie sie sagt. Eine Rolle dürfte gespielt haben, dass sie da schon mit ihrem Mann, einem amerikanischen Doktor der Notfallmedizin, zusammen war. Ein Fach, das wiederum in Österreich nicht anerkannt wird.

"Wir standen also vor der Entscheidung: Macht er noch einmal alles nach oder ich?", erzählt Gruber-Filbin. Denn ihr Mann sei durchaus bereit, mit ihr nach Österreich zu gehen. "Er spricht gut Deutsch und liebt Skifahren." Den Ausschlag habe gegeben, "dass ich ein bissl jünger bin". In anderen europäischen Ländern, etwa Schweden, Dänemark und England, sei das Berufsbild ihres Mannes schon anerkannt, am liebsten aber würde sie nach Österreich zurückkehren: "Wegen des Heimatgefühls, der Freunde und der Familie."

Von 2011 bis 2013 also machte Gruber-Filbin ihre Facharztausbildung in Boston nochmals, sie schätzt die Kombination aus Forschung und klinischer Ausbildung, die ihr Harvard bot. Derzeit ist sie im zweiten Jahr eines dreijährigen Fellowship-Programms. "In den USA ist das sehr kompetitiv", beschreibt sie die Situation, "auf eine Stelle kommen 3.000 bis 5.000 Bewerbungen. Aber wenn man einmal drin ist in so einem Programm, muss man sich keine Sorgen machen."

Stolz auf Karrieren

Für die Zukunft wäre es ihr am liebsten, einen Teil des Jahres in den USA, einen Teil in Europa zu arbeiten und zu forschen. "In Harvard ist das durchaus üblich. Ich könnte Ihnen jetzt gleich zehn Leute aufzählen, die das so halten. Durch den technologischen Fortschritt ist das ja keine Schwierigkeit. Labormeetings gehen auch online, und meine epigenetischen Analysen habe ich sowieso am Computer."

Eine Besonderheit möchte sie an Harvard hervorheben: "Hier ist man stolz darauf, wenn die Leute Karriere machen und woanders hingehen. Der Kontakt wird gepflegt, zweimal jährlich wird ein Dinner veranstaltet, wo sich alle treffen." Auch das Mentoring werde intensiv betrieben: Sie allein habe drei Mentorinnen und Mentoren auf diversen fachlichen Hirarchieebenen, die sie regelmäßig treffe. Das halte sie auch für auf Österreich übertragbar, weshalb sie selbst Mentorin im Alumniclub der Medizinuni sei.

"Wie Erfolg funktioniert, kann man lernen", ist Gruber-Filbin überzeugt, "das hängt nicht nur von Intelligenz ab." Voraussetzung dafür aber sei sicher die Bereitschaft, "aus der Komfortzone herauszukommen" – und "nie aufzuhören zu lernen". (Tanja Paar, derStandard.at, 26.2.2015)