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So sieht es aus, wenn die Springer - wie hier Philipp Sjöen aus Norwegen - auf dem Turm die letzten Schritte hinaus ins Freie tun.

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Stefan Kraft ist Österreichs letzte Goldhoffnung in Falun, weil "mein System passt, mein Setup passt". Dazu mag er den großen Bakken in der Lugnets-Arena. Der Mann hat also einen Lauf.

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"Fußball ist ein ...sport", sagte einmal ein Trainer namens Ernst Dokupil nach einem besonders aufregenden Spiel in die Fernsehkamera. Er hatte das zweite Hauptwort des Satzes in seiner Emotion unter Zuhilfenahme einer ziemlichen Derbheit zusammengesetzt. Gregor Schlierenzauer würde solch ein Wort öffentlich natürlich nie entschlüpfen, obwohl es dem Weltcupweltrekordsieger im Skispringen derzeit durchaus zustünde, derart hart über seinen Sport zu urteilen.

Schlierenzauer sagt lieber Dinge wie, es sei ein Geschenk, diesen Sport betreiben zu dürfen und zu erleben, was er eben erlebt. Wobei, gegenwärtig ist von Geschenk keine Rede, denn der 25-jährige Tiroler macht momentan die ausdauerndste Krise seiner aufsehenerregenden Karriere durch. Nahezu drei Monate ohne Podestplatz sind einem fitten Schlierenzauer noch nie widerfahren, eine Unserie nur ähnlichen Ausmaßes durchlitt er zuletzt 2010/11.

Des Tüftlers Flucht

Gesundheit vorausgesetzt, ist es nur schwer erklärbar, warum einer wie Schlierenzauer nicht und nicht vorankommen will. Erklärungsversuche aus der Ferne, wie von Thomas Morgenstern, der in einer Kolumne für die Tiroler Tageszeitung vermutete, dass der Tüftler Schlierenzauer einfach zu viel tüftle, wirken hilflos.

Der Athlet selbst flüchtet zwangsläufig in Allgemeinplätze, sagt, dass sein Ziel in Falun noch immer eine Medaille sei, dass das Training auf der Großschanze nicht "rosig" gewesen sei, es ihm aber viel lieber so sei, weil ja auf der Kleinschanze "der Schuss nach hinten losgegangen ist". Dazu gibt es noch Wolkiges wie die Erzählung vom Knacken einer harten Nuss, als ob nur noch das richtige Werkzeug fehlte.

Des Sieges Leichtigkeit

Welche Rolle Leichtigkeit spielt, demonstriert dagegen Stefan Kraft in Falun. Der Tourneesieger, nach Bronze auf der Kleinschanze zusätzlich gelockert, dominierte das Training auf dem großen Bakken, seine Erklärungen dafür sind simpel: "Ich kann machen, was ich will, es funktioniert einfach. Mein System passt, mein Setup passt", er fühle sich an seinen Tourneelauf erinnert.

Und er mag die Schanze einfach, sagt der 21-Jährige. Im Vorjahr, bei deren Weltcup-Premiere im umgebauten Zustand, also der WM-Generalprobe, war er in Falun als bester Österreicher beim Sieg des Deutschen Severin Freund auf Rang fünf gekommen. Diese Platzierung war die Trendwende nach einer eher bitteren Saison für den Salzburger, der ein paar Monate davor in die Weltspitze vorgestoßen war, um auch sehr bald wieder beinahe aus dieser zu verschwinden.

Des Anzugs Stärke

Kraft hat also sehr früh erlebt, was Schlierenzauer derzeit zu schaffen macht. Und er hat etwas, was dem 53-fachen Weltcupsieger derzeit fehlt: eine Art Krücke, auf die er sich stützt. Kraft springt nämlich im Training und in der Qualifikation in einem alten Anzug, in einem schon dutzende Male getragenen, der längst nicht mehr über optimale Flugeigenschaften verfügt. Kann er mit diesem Anzug mithalten, ist er sich seiner Stärke in der Wettkampfpanier noch bewusster.

Dazu reizt er sein Material nicht völlig aus, er springt kürzere Ski, als er wegen seines Gewichts (56 Kilo auf 1,70 Meter) müsste, geringfügig kürzere, aber immerhin. Auch hier hat er also einen Polster, quasi einen Luftpolster, der ihn trägt. Eine leicht modifizierte Bindung, die ihm mehr Gefühl in der Flugphase geben soll, tut ihr Übriges. Hungrig ist der Mann sowieso, erst zweimal fand der Sieg zu Kraft - kurz vor Jahreswechsel zum Tourneeauftakt in Oberstdorf und im Jänner in Wisla, Polen.

Des Trainers Halt

Für Coach Heinz Kuttin ist Kraft derzeit, was Schlierenzauer lange Zeit für Kuttins Vorgänger Alexander Pointner war. Ein Lieferant von Ergebnissen, in deren Windschatten es sich arbeiten lässt. Der Unterschied ist, dass Kuttin innerhalb des Teams und auch bei seinen Vorgesetzten völlig unbestritten ist. Der 44-jährige Kärntner, der vor 22 Jahren in Falun seine letzte WM bestritten und mit dem Team noch Bronze geholt hat, ist für seine Nähe zu den Athleten geschätzt, die Öffentlichkeitsarbeit ist seine Sache nicht.

"Er hat einen guten Weitblick, weiß, wo die Reise hingeht. Er ist sehr professionell und auch beim Material voll in der Materie drinnen", singt Schlierenzauer dem ehemaligen Spezialtrainer seines Rivalen Morgenstern ein Loblied. Ob Kuttin ein Sager wie Dokupil auskommen könnte, muss sich im Stress erst weisen. (Sigi Lützow aus Falun, DER STANDARD, 26.2.2015)