Warum nicht gleich? Das ist die Frage, die sich Finanzminister Yiannis Varoufakis von seinen Kollegen in der Eurogruppe nach der Einigung auf das weitere gemeinsame Vorgehen beim Eurohilfsprogramm für Griechenland wohl am öftesten anhören muss.

Denn der gefundene Kompromiss war in der Tat eine "schwere Geburt". Nicht weniger als vier Sitzungen der Eurofinanzminister binnen zweier Wochen waren erforderlich, bis der Neue in der Runde einlenkte – ein einsamer Rekord. Und er kam mit einer in Athen nach dem Wahlsieg von der Syriza-Partei angestimmten Begleitmusik zustande, die das Klima zwischen den Partnern zeitweilig völlig unnötig vergiftet hat: unter ständigen Drohungen.

Die Verhandler-Troika der Geldgeber einseitig für "tot" zu erklären, damit zu drohen, dass man seine Schulden nicht zahlen werde, wenn es keinen Schuldenschnitt gibt, dass Verträge zwischen Regierungen nicht eingehalten werden, es eine "deutsche Verschwörung" gebe, das war schlicht eine Provokation. So kann eine Gemeinschaft auf Dauer nicht arbeiten.

Genüsslich und viel zu lange dabei zuzuschauen, wie bei Demonstrationen der Linksparteien auf dem Syntagma-Platz deutsche Spitzenpolitiker, allen voran Wolfgang Schäuble, als Nazischergen dargestellt werden, war schlicht unerträglich: Zur Ehrenrettung von Premierminister Alexis Tsipras muss gesagt werden, dass er dem in einer Erklärung im Parlament demonstrativ entgegentrat.

Überhaupt wurde viel zu viel von Ehre und angeblich bewusst verletzter "Würde des griechischen Volkes" geredet, vom Stolz der Nation oder gar der "Einheit von Volk und Regierung".

Leute, die dem Bündnis der Linken mit einer rechtspopulistischen Kleinpartei, die vor antisemitischen Tönen nicht zurückschreckt, mit Sympathie begegnen, führen das alles auf "Anfängerfehler" oder gar "Strategie" zurück. Aber Fehler sind selten gut. Wenn es Strategie war, die Europartner vor den Kopf zu stoßen, dann war es eine schlechte.

So betrachtet, ist die jüngste Einigung auf eine Modifizierung des laufenden Programms ein Wendepunkt. Sprache und Inhalt der Erklärungen und Reformkonzepte zeugen davon, dass zwei Seiten die realen Probleme konstruktiv, partnerschaftlich – hoffentlich in wechselseitigem Vertrauen – angehen wollen.

Das Wichtigste dabei (und das ist neu, das stärkt am Ende beide Seiten): Am Reformkurs und am Sparen wird grundsätzlich festgehalten, aber es soll dazu so viele Maßnahmen wie möglich geben, die die Sozialkatastrophen bei den Griechen abmildern.

Das ist eine gute Formel: Man hätte sie früher und ohne Streit, ohne Lärm gemeinsam aufstellen können. Aber Schwamm drüber. Die Regierung Tsipras hat den ersten Beweis erbracht, dass sie bereit ist, den radikalen Tönen eine gemäßigte Politik folgen zu lassen. Bravo! Der schwierigste Teil steht ihr aber erst bevor, denn nach zwei Wochen der Staatsbankrottgefahr hat man sich nur ein paar Monate Zeit verschafft. Die Forderungen der Geldgeber von EU und IWF bleiben: Die Ausgaben im Staatshaushalt müssen verändert, das Land muss von Grund auf reformiert, die Wirtschaft umgebaut werden. Dreh- und Angelpunkt ist dabei ein funktionierendes Steuersystem. Wenn es Tsipras schafft, den Missbrauch nach Jahren der leeren Versprechungen aus Athen abzustellen, wird ihm der Applaus der Europartner sicher sein. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 25.2.2015)