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Der Ort, an dem nach dem Plänen Ankaras das neue Heiligtum entstehen soll, liegt etwa 200 Meter von der Grenze entfernt auf bisher syrischem Staatsgebiet.

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Ankara/Damaskus/Athen - Die türkische Regierung und die mit ihr verbundenen Medien stemmen sich gegen eine Flut von Kritik im eigenen Land nach der Militärintervention in Syrien am vergangenen Wochenende, bei der türkische Wachsoldaten und ein Nationalheiligtum von einer Exklave am Ufer des Euphrats zurückgeholt wurden.

Die Evakuierung soll bereits vor einem Monat beschlossen worden sein und lief offenbar ohne Gefechte ab. Ein türkischer Soldat kam durch einen Unfall ums Leben. Sozialdemokraten und Rechtsnationalisten warfen der Regierung von Ahmet Davutoglu und Staatschef Tayyip Erdogan vor, "türkische Erde" aufgegeben und vor der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) kapituliert zu haben. Diese kontrolliert das Areal um das Mausoleum von Süleyman Shah, 37 Kilometer weit von der Grenze innerhalb Syriens. "Die Fahne ist nicht gefallen", versicherten dagegen die Titelseiten mehrerer türkischer Zeitungen am Montag.

200 Meter im Nachbarland

Genau das hatten Armee und Regierung Sonntagfrüh nach Ende der nächtlichen Operation mit Panzern, Aufklärungsmaschinen und fast 600 Soldaten erklärt. Das neue Mausoleum mit den Überresten von Süleyman Shah, dem Großvater der Osmanen-Dynastie, soll nun knapp 200 Meter hinter der türkischen Grenzlinie auf einem Gebiet gebaut werden, das die Armee in Besitz nahm.

Juristisch lasse sich das Vorgehen der Türkei halbwegs als präventive Schutzmaßnahme begründen, zitierte die liberale Onlinezeitung Radikal einen Völkerrechtler der Galatasaray Universität in Istanbul. "Es ist die Art von These, die im Allgemeinen Staaten wie Israel benutzen", stellte Mehmet Karli fest. Das "Stück türkische Erde" in Syrien, das die Protektoratsmacht Frankreich 1921 im Vertrag von Ankara der Türkei zusicherte, wandert allerdings nicht zum ersten Mal: Nach einem Dammbau 1973 wurde das Mausoleum einige Kilometer näher zur Türkei verlegt.

Davutoglu versicherte auch, die Türkei habe "niemanden um Erlaubnis gefragt". Tatsächlich aber waren die türkischen Einheiten durch die bis vor kurzem noch umkämpfte syrische Grenzstadt Kobane zum Mausoleum gefahren. Rund 300 kurdische Kämpfer hätten für die Türken einen Korridor freigehalten, erklärte ein Vertreter der syrischen Kurdenpartei PYD.

Rivalen an der Staatsspitze

Die Operation spiegelte schließlich auch die wachsende Rivalität zwischen Davutoglu und Erdogan wider: Viele Titelseiten zeigten Davutoglu als Macher im Krisenzentrum der Armee, ohne Sakko und umringt von Generälen; daneben erschien groß ein Porträt Erdogans, der erklärte, er habe über die Operation entschieden und sie auch verfolgt. Sie sei nur ein "vorübergehender Rückzug", erklärte der Staatschef in einer Rede am Montag, offensichtlich bemüht, die Kritik der Opposition an Davutoglu abzuladen. Für den 9. März kündigte Erdogan zudem die zweite Ministerratssitzung unter seiner Leitung an. (Markus Bernath, DER STANDARD, 24.2.2015)