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Für chronisch Kranke und Krebspatienten wäre ein teilweiser Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag mitunter ein Gewinn. Arbeitnehmervertreter warnen jedoch vor der Aushöhlung hart erkämpfter Rechte.

Foto: APA/Fohringer

Dass Arbeitnehmer auch dann Geld bekommen, wenn sie ihrem Job krankheitsbedingt nicht nachgehen können, wurde hart erkämpft. Im vergleichsweise großzügigen österreichischen Modell erhalten Angestellte ihren Lohn oder ihr Gehalt zumindest sechs Wochen lang ausbezahlt, danach gibt es Krankengeld. Für die Selbstständigen und atypisch Beschäftigten gilt das jedoch nicht – und auch für die unselbstständig Beschäftigten soll sich nun etwas ändern.

Noch in der ersten Jahreshälfte soll der sogenannte Teilkrankenstand kommen: Wer wegen eines Schlaganfalls oder einer Krebserkrankung länger ausfällt, solle "sanft wiedereingegliedert" werden können, heißt es im Sozialministerium. Arbeitnehmervertreter stehen dem Modell skeptisch gegenüber. Die Arbeiterkammer ist gegen eine systematische Teil-Krankschreibung, einem "Wiedereingliederungsgeld" stehe man aber offen gegenüber.

Was das konkret bedeute, will man in der AK gegenüber dem Standard nicht präzisieren. Auch der ÖGB sagt mit Verweis auf laufende Verhandlungen "Kein Kommentar".

Krebshilfe für Reform

Interessensvereinigungen wie die Krebshilfe fordern seit Längerem eine Möglichkeit, trotz Krankheit reduziert zu arbeiten. Die Lohnarbeit erfüllt für viele Menschen auch eine soziale Komponente, der Kontakt zu Kollegen und die Anerkennung der beruflichen Leistung bewirkten eine psychische Stabilisierung, die sich auch positiv auf den Heilungsfortschritt auswirken könne, argumentieren manche.

Skeptiker befürchten genau das Gegenteil: Wer trotz Krankheit zu früh wieder arbeiten geht, drohe der Gesundheit langfristig zu schaden. Viel hängt von der Ausgestaltung ab. Das zeigt auch die bunte Palette an Modellen, die es in Europa bereits gibt. Deutschland kennt die sogenannte stufenweise Wiedereingliederung, eine sanfte Variante des Teilkrankenstandes.

Hier erhalten Beschäftigte weiterhin Krankengeld ausbezahlt, können aber stufenweise wieder Arbeiten gehen – wobei der Arbeitgeber keinen Anspruch auf die Leistung des Arbeitnehmers hat. Nach 40 Krankenstandstagen muss der Dienstgeber Vorschläge machen, wie der Arbeitsalltag an die besonderen Bedürfnisse des oder der Kranken angepasst werden kann – unterlässt er dies, kommt der Arbeitnehmer in den Genuss eines erweiterten Kündigungsschutzes. "Da steht der therapeutische Aspekt sehr im Vordergrund", erklärt Arbeitsmarkt-Experte Thomas Leoni vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo auf Standard-Anfrage.

Ganz anders in der Schweiz: Hier stellt der Arbeitgeber eine detaillierte Jobbeschreibung aus, anhand welcher der Arzt dann prüft, inwieweit die Krankheit die Arbeitsfähigkeit einschränkt. Die Entscheidung lautet dann nicht "krank" oder "gesund", sondern beispielsweise: "50 Prozent arbeitsfähig, nur einfache körperliche Tätigkeit".

Auch in Schweden gibt es die Reduktion auf 75, 50 oder 25 Prozent, sofern der Dienstnehmer dem zustimmt. Während des Teilkrankenstandes ist der Beschäftigte vor Kündigung geschützt.

Nicht beim Gipsfuß

Während es in manchen Ländern Usus ist, bereits ab dem ersten Krankenstandstag zu prüfen, ob der Patient teilweise arbeitsfähig ist, sei das in Österreich Tabu, heißt es im Sozialministerium: Nur Patienten, die monatelang ausfallen, kämen für den Teilkrankenstand infrage, "für den Beinbruch wird es das nicht geben", meint ein Sprecher.

Doch auch hier steckt der Teufel im Detail: Was, wenn der Arzt zum Schluss kommt, dass der bisherige Job nicht zumutbar ist, eine einfache, aber eben auch unterfordernde Tätigkeit hingegen schon? Dazu kommt, dass die Einstufung der Arbeitsfähigkeit bei psychischen Krankheiten besonders problematisch ist: Lastet die ausklingende Depression immer noch so schwer auf dem Patienten, dass er nicht arbeiten kann, oder lindert es gar die Beschwerden, wenn er zumindest teilweise einer Beschäftigung nachgeht? "Sehr viele Fragen müssen geklärt werden", meint Leoni, doch eines sei klar: "Das jetzige System ist zu starr." (Maria Sterkl, DER STANDARD, 24.2.2015)