Diese Woche werden die weltweit ersten Ubuntu-Smartphones präsentiert.

Foto: BQ

Wie so oft begann alles mit einem USB-Stick. Jedoch nicht in einer Garage wohlgemerkt, sondern im Keller. Genauer gesagt im Untergeschoß der Madrider Polytechnischen Universität bei einem Treffen der Studentenorganisation ITEM Consulting. Von wo aus der Höhenflug für die sechs einstigen Telekommunikationsstudenten 2003 seinen Anfang nahm.

Heute leitet jenes Sextett, bestehend aus Alberto Méndez, Rodrigo del Prado, Ravin Dhalani, David Béjar, Iván Sánchez und Adán Muñoz, den spanischen Smartphone-, 3-D-Drucker- und E-Reader-Hersteller BQ. Damals erst um die 20 Jahre alt, beschlossen sie mit dem Import und Verkauf von USB-Speichersticks zu beginnen. Seinerzeit waren jene das Trendprodukt per se. MemoriasUSB hieß folglich ihr erstes Spin-off, und die Sticks wurden prompt ein Verkaufsschlager. Wenig später gründeten sie ihre erste Fabrik in China.

Handybau inmitten der Krise

Sukzessive sammelten sie satte Gewinne ein. 2009 folgte dann der nächste große Wurf, und wieder am technologischen Zahn der Zeit: mit einem E-Book-Reader namens "booq", den sie dann, gekoppelt an eine eigene Contentplattform für Luarna – den ersten rein digitalen E-Book-Verlag Spaniens – und pünktlich zur Weihnachtssaison, auf den Markt brachten. Diesen produziert BQ seither variantenreich und sukzessive optimiert unter anderem für den Telekomgiganten Telefónica-Movistar sowie den Verlag des El-País-Prisa-Konzerns Grupo Planeta oder etwa Frankreichs Fnac. Damit war auch 2009 schließlich nach der Grundsteinlegung auf USB-Stick-Basis das Fundament gegossen, um BQ als Handyhersteller inmitten der schwersten Krisenjahre 2010 zu gründen.

Selbst finanzieren

"Stets reinvestierte man Gewinne in neue, größere und ambitioniertere Projekte", sagt del Prado, seinerseits Deputy Managing Director von BQ, dem Standard. Dadurch, dass man sich selbst finanzieren konnte, war man von der Kreditklemme verschont geblieben. Mehr noch, die mauen Jahre führten zum Umdenken in der Unternehmensphilosophie: "Die Krise hat uns dazu gebracht, weit mehr auf die Menschen zu blicken", so BQ-Mitbegründer del Prado weiter.

Erfolgreicher 3-D-Drucker

Altruistisch gibt man sich seither auch mit dem Firmenslogan, der das "Menschenrecht auf Technologie" (engl. Human Right to Technology) einfordert. 2013 präsentierte man schließlich einen ersten hauseigenen 3-D-Drucker, die BQ Witbox.

Einer, der prompt auf den Blogs der Branchengurus unter die Top Ten gelistet wurde und mittlerweile in mehr als 50 Staaten (à rund 1.700 US-Dollar) verkauft wird. Mit dem eigenen Druckerwerk in Navarra schaffen sie auch wichtige Arbeitsplätze im von Massenarbeitslosigkeit und Braindrain hochqualifizierter Uni-Absolventen geprägten Krisen-Spanien.

Millionen an Umsatz

Mit mehr als 800 Angestellten erwirtschaftete das Unternehmen 2013 immerhin einen Umsatz von 115 Millionen Euro vor Steuer. Nun ist es wieder BQs Managerriege von einst, die am 24. Februar vor dem wohl größten Wurf ihrer ebenso kurzen wie steilen Karriere steht. Dann wird BQ das weltweit erste smarte Mobiltelefon (Aquaris E4.5, im Mittelklassesegment um etwa 170 Euro) mit dem auf Linux basierenden Open-Source-Betriebssystem Ubuntu von Canonical präsentieren. Pünktlich, just vor dem in Kürze beginnenden World Mobile Congress in Barcelona und nach den ersten Wellen an Online-Flash-Sales. Aber doch auch spät, denn immerhin wurde das Smartphone erstmals bereits vor fast zwei Jahren angekündigt. "Innovation entwickelt sich weit schneller in einem freien und offenen Umfeld", sagt del Prado, und: "Diversität ist der Schlüssel zur Evolution."

Ubuntu statt Android

So scheint BQs Aquaris E4.5 zumindest einer der aussichtsreichsten Kandidaten dafür zu sein, seine Nische zu finden. Doch ob die Spanier es damit schaffen, die Dominanz von Apples iOS und Googles Android zu brechen, bleibt abzuwarten. Auch oder gerade weil man nicht auf Apps, sondern auf sogenannte "Scopes" setzt. Sprich, man hat einen "Scope" etwa für "Heute", auf dem aktuelle Kalendertermine, Wetter oder Verkehrsinfos nebst Veranstaltungstipps erscheinen.

Apps sind freilich nicht ausgegrenzt, jedoch nicht mehr zentrales Element der einzelnen Smartphone-Screens. "Der Nutzer ist ins Zentrum des Nutzererlebnisses (engl. User Experience) gestellt", sagt del Prado.

Feeds

So sind es daneben auch Feeds (wie etwa via die Fotoportale Instagram oder Flickr), die nach Wichtigkeit dem User geordnet am Display angezeigt werden. Wenngleich hier etwas Ebbe in puncto Angebot herrscht. WhatsApp oder der Facebook Messenger fehlen (noch). Wie del Prado sagt, wird gleichzeitig mit der generellen Expansion in Europa "2015 ein Vertrieb in Österreich starten". Es sei ein sehr wichtiger Markt – und "nicht bloß ein Anhängsel von Deutschland", wie man bei BQ betont.

Ubuntu ist eine der populärsten Versionen des offenen Betriebssystems Linux, die nun auch auf Handys von BQ verfügbar ist. Ubuntu bedeutet in der Zulu-Sprache so viel wie "menschliches Miteinander". (Jan Marot aus Madrid, DER STANDARD, 23.2.2015)