Wien - Die Zeit sieht in als "Egozentriker", das Konzerthaus annonciert ihn als "Rebell", für die ZiB ist er ein "Anarchist": Großmütter, nehmt euren Enkelinnen das Klassikabo wieder weg! Doch Teodor Currentzis stylt sich nicht nur ein wenig in Richtung Marilyn Manson, er musiziert auch radikal: Von seiner Rameau-CD schwärmte die Kritik, für seine Einspielung von Mozarts Così bekam der künstlerische Leiter der Permer Oper 2014 einen ECHO-Klassik. Nun war der in St. Petersburg ausgebildete griechische Dirigent bei seinem Debüt im Wiener Konzerthaus zu erleben.

Ein berauschendes Erlebnis: Bei Prokofiews 5. Symphonie wirbelte Currentzis mit seinen langen Armen umher, als wollte er tausend Krähen verscheuchen, federte vergnügt von einem Bein aufs andere. Mit seiner körperlichen Lust an der Musik befeuerte der 42-Jährige die Musiker des RSO Wien, die nicht nur im Kopfsatz mit flammender Leidenschaft musizierten: Da glühte es, da brodelte es.

Der 2. Satz, der meist abgezirkelt abschnurrt, war bei Currentzis voller Lebendigkeit. Dass es gern zu schnell zu laut wurde, dass die Charakterzeichnung der Themen noch origineller ausfallen könnte: geschenkt. Auf eine andere Art fesselnd geriet der erste Konzertteil. Im Kopfsatz von Rachmaninows 2. Klavierkonzert wurde man Zeuge eines Interpretationskriegs zwischen Dirigent und Solist: Der glühenden Emphase von Currentzis setzte Stoiker Alexander Melnikov abrupte Wechsel von seelentotem Geballere und verhuschter Traumverlorenheit entgegen. Ab dem entspannten langsamen Satz zogen beide dann an einem Strang. Im Finalsatz fehlte dem Solisten zu Beginn jede tänzerische Extrovertiertheit; er entschädigte jedoch mit einem wundervollen Seitenthema in der Reprise sowie mit dem zauberhaften Skrjabin-Poème op. 32/1 als Zugabe. Jubel. (end, DER STANDARD, 23.2.2015)