Wien - In Österreich können - anders als in Deutschland - Bußgelder für Kartellverstöße nur gegen Unternehmen, nicht aber gegen deren Organe verhängt werden. Es drohen für die Organe aber Schadenersatzansprüche durch die Gesellschaft (Innenhaftung) oder Dritte (Außenhaftung) - und in manchen Fällen auch eine strafrechtliche Verantwortung (Submissionsabsprachen bzw. Betrug).

In Österreich steht die Rechtsentwicklung noch am Anfang. Einige Entscheidungen aus Deutschland haben aber auch hierzulande erste Weichen gestellt. Zuletzt hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf Ende Jänner 2015 in zweiter Instanz die Klage von ThyssenKrupp gegen deren ehemaligen Bereichsvorstand Uwe Seelbach auf Ersatz der gesamten im Schienen-Kartell entrichteten Geldbuße von 191 Mio. Euro zwar abgewiesen; die Revision zum BAG ist aber zugelassen worden.

Offene Haftungsfrage

Bei der Haftungsfrage ist strikt zwischen Innen- und Außenverhältnis zu trennen. Die Innenhaftung bezieht sich auf die Inanspruchnahme des Vorstands, etwa durch den Aufsichtsrat, die Außenhaftung auf Ansprüche durch geschädigte Dritte. Relevante Judikatur für die Rechtsentwicklung zur Innenhaftung sind neben dem britischen Fall Safeway ThyssenKrupp und Siemens (LG München). Andere Fälle werden außergerichtlich beigelegt.

Die Außenhaftung hat bereits den OGH im Zuge des Aufzugs- und Fahrtreppenkartells beschäftigt. Dort erachtete der OGH eine Haftung dann für möglich, wenn der Geschäftsleiter (i) den Verstoß selbst begangen hat, (ii) aktiv an diesem beteiligt war oder (iii) trotz Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis nichts gegen diesen unternommen hatte. Dieser Sichtweise ist auch das OLG Düsseldorf 2013 im Fall Dornbracht gefolgt. Dabei ging es um die Klage des Onlinehändlers Reuter gegen den Sanitäramaturenhersteller Dornbracht wegen einer Fachhandelsvereinbarung mit dessen Großhändlern. Gemäß § 830 Abs 2 BGB (entspricht § 1301 ABGB) sah das OLG die Gesellschaft und deren Geschäftsführer gemeinsam (gesamtschuldnerisch) als haftbar.

Überwachung Kartellverstöße

Allgemein haben Geschäftsleiter in ihrem Unternehmen (aktiv) sicherzustellen und zu überwachen, dass es nicht zu Kartellverstößen kommt. Die Pflicht trifft den Vorstand in seiner Gesamtheit. Sie lässt sich - wie das LG München im Fall Siemens herausgestellt hat - nur bedingt delegieren. Vieles spricht für die Pflicht des Vorstands, auch eine Compliance-Organisation zu schaffen - vor allem, wenn es bereits im Unternehmen oder in der Branche zu Kartellverstößen gekommen ist.

Das Compliance-System sollte auf Basis einer Risikoanalyse klare, an die Risiken angepasste Verhaltensregeln aufstellen, die Mitarbeiter sollen auf die Einhaltung individuell geschult werden. Es bedarf eindeutiger, festgelegter Sanktionen und regelmäßiger Überprüfungen. Eine fehlerhafte Compliance-Organisation kann, so das LG München, auch selbst eine Haftung begründen.

Der Aufsichtsrat ist verpflichtet zu überprüfen, ob der Vorstand dieser Aufgabe nachgekommen ist. Verzichtet der Aufsichtsrat auf Schadenersatzansprüche gegen einen pflichtwidrig handelnden Vorstand, könnte überdies eine eigene Haftung des Aufsichtsrats bestehen. Hier ist große Vorsicht geboten.

Welchen Schadenersatz?

Bei der Haftung selbst stellen sich viele Fragen: Wann liegt eine Pflichtverletzung vor? Wann ist ein Compliance-System fehlerhaft? Vor allem, welchen Schaden kann die Gesellschaft vom Geschäftsleiter ersetzt verlangen: die gesamte Geldbuße und/oder die Rechtsberatungskosten? Besonders der Ersatz der gesamten Geldbuße führt regelmäßig zur Existenzvernichtung des Organs. Das hat auch das LAG Düsseldorf bestätigt. Mit der Geldbuße soll ein Verhalten der Gesellschaft sanktioniert werden. Eine Überwälzung auf das Organ sei mit diesem Zweck (so das LAG) nicht vereinbar. Zudem werde die Differenzierung zwischen der Bebußung der Gesellschaft (bis zu zehn Prozent des Umsatzes) und des Organs (bis zu einer Mio. Euro) im deutschen Kartellrecht aufgehoben; das Argument zieht jedoch nicht in Österreich, da es keine Geldbuße gegen das Organ gibt.

Abgewiesene Klage

In dem Kontext steht auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs. In Großbritannien wurde eine Klage von Safeway gegen elf frühere Geschäftsführer mit dem Argument abgewiesen, dass sich die Gesellschaft rechtsmissbräuchlich verhalten habe, indem sie einen Schaden ersetzt verlangt, den sie durch ihr eigenes kartellrechtswidriges Handeln geschaffen hat.

Angesichts der deutschen Urteile wird es nicht mehr lange dauern, bis sich auch in Österreich Geschädigte und Gesellschaften überlegen, sich an der Geschäftsleitung oder dem Aufsichtsrat schadlos zu halten. (DER STANDARD, 23.2.2015)