Menschen ist oft unklar, was Philosophie eigentlich ist. Aus der Distanz erscheint sie seltsam, irrelevant, manchmal engstirnig, besserwisserisch, oft langweilig theorielastig, ergeht sich in Spitzfindigkeiten, bleibt aber doch auch irgendwie faszinierend. Es ist schwierig zu sagen, was diese Faszination ausmacht. Und wer sind diese Philosophinnen und Philosophen, die eigenartige Fragen stellen, Begriffsarbeit leisten und dem Alltagsverstand kryptisch erscheinende Antworten geben. Wieso machen sie das und wo zu brauchen wir sie?

Eine bekannte Antwort steckt schon im Begriff Philosophie selbst, als Liebe zur Weisheit. Nun, Weisheit ist selbst ein abstrakter Begriff, aber das Konzept der Weisheit selbst ist gar nicht mysteriös. Weise zu sein assoziierte man damit, ein gutes Leben zu leben und einen guten Tod zu sterben.

Die Weisheit sucht nach Antworten auf die Frage: Was hat Bedeutung, nicht mehr und nicht weniger. Nun hat der Tod viel von seinem Schrecken verloren, immer weniger Menschen in Mitteleuropa glauben an ein Strafgericht im Jenseits. Gerade deshalb werden diesseitig existentielle Fragen wichtiger. Hilft einem die Philosophie dabei, so gut wie möglich durch die wechselhaften Erschütterungen des Lebens zu manövrieren? Erschöpft sich die Philosophie mit Antworten zum eschatologischen Fragenkatalog, oder gehört zu dieser Disziplin noch mehr? Ist das Ziel der Weisheitslehren nach wie vor interessant, strebt der Mensch nach Erfüllung?

Happy, Happy, Happy, Happy

Ist Erfüllung persönliches Glück oder Happiness? Beide Begriffe klingen mißverständlich, es schwingt auch ein oberflächliches Luststreben, die Sehnsucht nach Freude mit. Wer wollte uns das absprechen? Sind Philosophen Spaßbremser? Freude und Lust gehören zu einem wunderbar gelebten Leben. Weise wird genannt, wer, wo Leid und Dulden, durch Schmerz, Liebeskummer, infolge von Krankheiten, Behinderung oder durch tragische Verluste zum Teil des Lebens werden, dies als Momente des Lebensgeschehens mit Gelassenheit annehmen und Schritte setzen kann, um die Situationen zu verändern. Wer sich also nicht von Ohnmacht und Fatalismus einfangen lässt ...wer immer strebend sich bemüht..., kann Weisheit erlangen?

Wissen macht nix

Philosophen versuchten lange, ein System des Wissens zu entfalten, um daraus Antworten zu den Fragen nach gesichertem Wissen zu Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zu erlangen. Im Streben nach Weisheit haben sie spezifische Herangehensweisen entwickelt, oft mit großem persönlichen Risiko. Einige sind über alle gesellschaftlichen Grenzen hinweg gegangen und haben das Establishment herausgefortert. Nicht alle waren so mutig, aber einige haben alles in Frage gestellt. Doch leider schenkt man ihnen auch heute viel zu wenig Gehör ...denn die Stimme der Vernunft ist leise... Scheinbar handeln nur wenige Menschen danach. Ist die Philosophie so weit von realen Lebensumständen entfernt?

Man stelle keine großen Fragen

Was ist der Sinn des Lebens? Macht unsere Arbeit Sinn, und welche davon macht mehr davon? Hat die Frage nach dem Sinn überhaupt Sinn, oder ist vielmehr Sinndiätik angebracht? Welche Kriterien haben wir? Wohin entwickeln wir uns als Gesellschaft? Was ist Liebe usf.? Die meisten haben solche Fragen irgendwann gewälzt, vielleicht mitten in der Nacht. Oft verzweifelte man an der Unmöglichkeit, sie eindeutig zu beantworten.

Spricht man diese Fragen laut aus, werden sie zum Partykiller. Mit der Zeit wird man immer vorsichtiger sie zu stellen. Wohin sind jene heroischen Momente des studentischen Sturm und Drang verschwunden, als man Buchweisheiten in Rededuellen zückte und in Selbstbegeisterung mit Zitaten um sich schlug. Irgendwann werden diese Spiegelfechterein fad, vielleicht beginnt man aus vorauseilender Konventionalität zu schweigen. Wenn man glaubt, Antworten zu kennen, dann will man damit niemandem auf die Nerven gehen, außerdem könnte es der Karriere schaden. Viele teilen auch die Befürchtung, sich im Wirrwarr verschiedener Konzepte und Antworten zu verlieren, man will sich nicht lächerlich machen, weil bei philosophischen Fragen letztlich doch kein einen fester Halt zu finden, alles offen und im Fluß bleibt. Es lebe also der Pragmatismus.

Was, wenn wäre?

Bleiben Fragen zum Sinn unserer Existenz nicht auch dann relevant, wenn wir uns im Alltag ganz weit davon entfernt wähnen? Was, wenn das Streben nach vernünftigen Fragestellungen selbst schon der Motor ist, um zu beurteilen, wie wir unsere Energien sinnvoll einsetzen?

Philosophen ängstigen sich nicht vor grossen Fragen. Sie haben im Laufe der Zeiten die größtmöglichen gestellt und sind wunderbar daran gescheitert. Jede Frage kann in kleinere Unterfragen heruntergebrochen werden. Die Frage nach dem Sinn gewinnt konkrete Bedeutung, wenn man die gemeinsam verbrachte Familienzeit ins Verhältnis zum Streben nach persönlicher Verwirklichung in einer Karriere setzt. Was bleibt im Rückblick wesentlich?

Nicht auf alles gibt es eine pragmatische oder nützliche Antwort, Philosophen sind weder Propheten noch Ratgeber. Auch das macht das philosophische Unterfangen sperrig. Oft ergeben sich aus einem philosophischen Gespräch eher neuen Frage, die mit einer Verwirrtheit auf höherem Niveau einhergehen.

Im Sinne einer Philosophischen Praxis wäre es wohl hochtrabend zu behaupten, man hätte bei den Antworten zu einem guten Leben mehr zu bieten als das, was bei üblichen Recherchen dazu herauskommt. Wozu dann aber den spezifisch philosophischen Weg einschlagen? Philosophieren hat keine vorgefertigten Lösungen parat, sondern durch das kritische Selbstdenken übt man zu unterscheiden und fördert Selbsterkenntnis, die zu neuen Handlungen führen kann.

Der Alltag denkt verwirrt

Wir bemerken, dass uns ein Stück Musik gut gefällt, aber scheitern, wenn wir sagen müßten, wieso. Wir treffen auf jemanden, der uns unsympathisch ist, können dieses Gefühl aber nicht auf den Punkt bringen. Wir verlieren plötzlich die Beherrschung und vermögen nicht zu sagen, was uns gerade über die Leber gelaufen ist. Es fällt uns auch auch schwer zu bestimmen, was genau uns Befriedigung verschafft und wissen nicht, wie wir dieses kurze Gefühl länger halten können.

Man weiß eben immer noch nicht sehr viel darüber, was in unseren Köpfen abläuft, wenn wir denken. Neurowissenschaften und Psychologie als wissenschaftliche Disziplinen spielen im Alltag der Menschen keine Rolle. Sie werden leider nur als Killerargumente oder für Ausflüchte instrumentalisiert, um sich dem Problem der Entscheidungsfreiheit und Verantwortung nicht zu stellen. Deshalb bleibt es wichtig, dass wir uns philosophisch mit uns selbst auseinandersetzen. Denn von Anfang an lautete der zentrale Grundsatz der Philosophie: Erkenne dich selbst. (derStandard.at, 20.02.2015)