Peter Tappler: "Was vor 30 Jahren völlig normal war, wird zunehmend zum Thema."

Foto: Hanna Pribitzer

STANDARD: Kürzlich wurde von einem Wiener Bezirksgericht entschieden, dass ein Mieter nicht mehr bei offenem Fenster und auf der Loggia rauchen darf. Hat Sie das überrascht?

Tappler: Die Entscheidung an sich war für mich nicht überraschend: Die Menschen reagieren zunehmend sensibel auf solche Störungen. Das merke ich in meinem beruflichen Alltag, in dem sich Menschen nicht nur über das Rauchen, sondern beispielsweise auch über den Geruch des Grillens beschweren. Es ist ein gesellschaftlicher Prozess - was vor 30 Jahren völlig normal war, wird zunehmend zum Thema. Was mich aber überrascht hat, war, wie das Urteil in den Medien dargestellt wurde - nämlich nicht den Tatsachen entsprechend. Es wurde vermittelt, dass es einem Mieter gänzlich verwehrt sei, in seiner Wohnung zu rauchen. Das entspricht nicht der Wahrheit: Dem Mieter wurde verboten, einen anderen Mieter unzumutbar zu belästigen.

STANDARD: Wie darf also geraucht werden?

Tappler: Besagter Mieter kann ruhig in seiner Wohnung rauchen - nur nicht bei geöffnetem Fenster. Er muss halt nach der Zigarre eine Weile warten, bevor er lüftet. In der Zwischenzeit lagert sich der Rauch in der Wohnung an Wänden und Möbeln ab, und ein Teil wird durch Fugen abgelüftet. Wenn der Raucher dann etwa eine Stunde später das Fenster aufmacht, dann ist die restliche Emission schon so abgeschwächt, dass man es nicht mehr riechen wird. Als Alternative könnte der Mieter auch eine Entlüftung über den Kamin einbauen. Das kostet nicht viel und ist ohnehin die effizienteste Möglichkeit, das Problem zu lösen. Warum das im eingangs erwähnten Fall nicht passiert ist, ist mir nicht klar. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich eine Einigung zwischen Kläger und Beklagtem finden ließe. Es ist aber wohl ein psychologischer Unterschied, ob man bei geschlossenem oder offenem Fenster raucht. Einer der beiden muss sich einsperren - die Frage ist, ob es der Raucher oder der Nichtraucher ist.

STANDARD: Oft wird argumentiert, dass man auch Autoabgasen ausgesetzt ist, die genauso schädlich sind. Zu Recht?

Tappler: Es geht immer um die Schwelle der Ortsüblichkeit. Tabakrauch, wie im Fall des Klägers, ist in dieser Konzentration nicht ortsüblich, während Autoabgase in geringer Dosierung in der Stadt durchaus ortsüblich sind. Es gibt bei Autoabgasen einen Grundpegel, der aber dank technischer Entwicklungen stetig sinkt. Die Feinstaubbelastung ist in einer verrauchten Wohnung zehnmal höher als auf der Straße. Auch was Kohlenmonoxid, Formaldehyd und Polyzyklen angeht, liegen Welten dazwischen. In einer verrauchten Wohnung werden Innenraumrichtwerte um ein Vielfaches überschritten werden.

STANDARD: Wie wirkt sich starkes Rauchen auf den Mietgegenstand aus?

Tappler: Man hat viel später immer noch erhöhte Ultrafeinstaub- und Nikotinkonzentrationen in der Wohnung. Alles, was sich über Jahre in den Wänden einlagert, kommt mit der Zeit raus. Es gibt spezielle Farben, mit denen man neu ausmalen kann. Extremfälle kann man aber nur sanieren, indem man den Putz abschlägt. (DER STANDARD, 21.2.2015)