Die Vorstände sind der Ansicht, dass der Aufsichtsrat sowohl bei Kontroll- als auch bei Beratungsthemen Nachholbedarf hat.

Grafik: Der Standard

Österreichs Aufsichtsräte überschätzen ihre Informationsversorgung laut aktueller Erhebung der Kienbaum Consultants International "erheblich": Sowohl bei Kontroll- als auch bei Beratungsthemen orten die heimischen Vorstände "Nachholbedarf, was Kompetenz und Wissen angeht", bei ihren Aufsehern. Die Kontrollore selbst beurteilen die Effizienz ihrer Gremien eher mies: 45 Prozent räumen "Chancen für Effizienzsteigerungen" ein.

Zentrale Ansatzpunkte dafür wären intensivere Vorbereitung der Aufsichtsratssitzungen, eine bessere Qualifizierung der Mitglieder sowie weitere Professionalisierung des Gremiums inklusive dessen Verkleinerung. Kleinere Gremien halten sich selbst für effizienter. Befragt wurden insgesamt 44 Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in Österreich.

Vorbereitung als Asset

Im Mittel wendet ein Aufsichtsratsvorsitzender laut Kienbaum 16 Arbeitstage im Jahr für seinen Kontrollorjob auf. Ein Viertel der Befragten für die Kienbaum-Studie schätzt den Aufwand für den Aufsichtsratschef sogar auf mehr als 30 Arbeitstage im Jahr. Zwei zusätzliche Arbeitstage im Jahr benötigen die Aufsichtsräte im Mittel für ihre Ausschusstätigkeit.

"Vor allem eine sorgfältige Vorbereitung auf die Sitzungen ist in den Augen der Befragten zentral für eine erfolgreiche Arbeit des Aufsichtsrats. Je mehr Mandate ein Aufsichtsrat innehat, desto schwieriger ist es für ihn, im Vorfeld die nötigen Informationen zu beschaffen und kritisch zu hinterfragen. Gerade angesichts der immer stärkeren Dynamik in den Märkten besteht dann die Gefahr einer Informationsasymmetrie zwischen Vorstand und Kontrolleuren", sagt Kienbaum-Vergütungsexperte Alfred Berger.

Dürftige Entlohnung der Aufsichtsräte

Auffällig, sagen die Unternehmensberater der HKP-Group in ihrer Vergütungsanalyse 2014, ist die im Vergleich zu Kollegen aus Nachbarländern eher dürftige Entlohnung der heimischen Aufsichtsräte: Die Vorsitzenden des Gremiums im Leitindex ATX verdienten (ex Ausnahmen wie etwa bei der Erste-Gruppe) demnach im Schnitt 65.720 Euro, nach 53.522 Euro im Jahr davor. Das ist viel Geld, aber im zweitwichtigsten deutschen Index MDax verdienen ihre Kollegen mit durchschnittlich 188.000 Euro fast das Dreifache, im Leitindex Dax mit 366.000 Euro sogar mehr als das Fünffache. Auch im Vergleich zu ihren Vorstandschefs sind die Aufsichtsräte in Österreich relativ schlecht bezahlt. Die Chefs bekommen im Schnitt das 23-Fache ihrer Kontrollore.

Das hat Kienbaum nicht analysiert, dafür aber die Stimmungslage bezüglich der Vergütungsverhältnisse. Etwa die Hälfte der Befragten beurteilt die Vorstandsvergütung als teils angemessen, teils überhöht. 42 Prozent der befragten Vorstände halten die Vergütung für fair und leistungsorientiert, während nur ein Fünftel der Aufsichtsräte dieser Meinung ist.

Keine staatliche Regulierung

Einig sind sich die Entscheider bei der Frage nach gerechten Vergütungsverhältnissen: 81 Prozent sind der Ansicht, die Vergütung sollte in einem angemessenen Verhältnis zu den Gehältern des oberen Führungskreises stehen. Ein Vorstandsvorsitzender ist gerecht entlohnt, wenn er das 2,4-Fache des Durchschnittssalärs des oberen Führungskreises verdient, bei einem ordentlichen Vorstandsmitglied ist es das 1,8-Fache, so die Einschätzung der Studienteilnehmer.

Tatsächlich sind die Gehaltsunterschiede zwar nicht amerikanisch, aber dennoch deutlich größer: Die Gehälter von Vorstandsvorsitzenden sind fast dreimal so hoch wie das Durchschnittssalär des oberen Führungskreises, ein ordentliches Vorstandsmitglied verdient das 1,9-Fache.

Wenig überraschend: Einer staatlichen Regulierung der Vorstandsgehälter steht rund die Hälfte der Befragten jedoch negativ gegenüber. Dafür spricht auch, dass lediglich neun Prozent der österreichischen Unternehmen angeben, keine Begrenzung der Höhe der variablen Vergütung zu haben.

Compliance wird wichtiger

86 Prozent der Befragten messen Compliance-Themen hohe Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für Banken und Finanzdienstleister sowie börsennotierte Aktiengesellschaften. Die Hälfte der Manager erwartet ein steigendes Budget für Compliance-Themen in den nächsten fünf Jahren. Ein weiterer Trend: Inzwischen kooperieren 43 Prozent der österreichischen Unternehmen mit externen Compliance-Organisationen, deutsche Firmen tun dies eher seltener.

Ein funktionierendes Compliance-Management gelingt nach Ansicht der Teilnehmer durch Schulungen der Mitarbeiter und effektive Kontrollmechanismen. Das Unternehmensklima oder die Arbeitszufriedenheit werden nicht genannt. Und: Nur neun Prozent der Befragten halten eine regelmäßige externe Bewertung ihres Compliance-Systems für notwendig.

Die Hälfte der Manager erwartet in den kommenden fünf Jahren steigende Budgets für Compliance-Management. (Karin Bauer, DER STANDARD, 21.2.2015)